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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jógvan Isaksen
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fünfundzwanzig Zentimeter weiter wiederholte sich der Strich. Mit den Fingerspitzen bekam ich ein Brett zu fassen und hob es hoch. In dem Hohlraum lag eine braune, mit einem Gummiband umwickelte Papiermappe. Ich nahm die Mappe und entfernte das Gummi. Sie war voll mit Zeitungsausschnitten, Fotos und Kopien. Das Meiste drehte sich um den Zweiten Weltkrieg, so schien es jedenfalls. Zu einer genaueren Untersuchung kam ich nicht, denn in diesem Augenblick hörte ich, wie neben mir eine Tür geöffnet wurde.
    Der Schrank!, fuhr es mir blitzartig durch den Kopf, und ich wollte mich gerade zu dem Geräusch umdrehen, als ich von einem harten Schlag getroffen wurde und ausging wie ein Licht.

12
    Stimmen. Weit weg redete jemand. Mir war übel und ich fühlte mich völlig kraftlos. Ich schaffte es nicht, mich zu übergeben, und schaffte es nicht, zur Besinnung zu kommen. Die Stimmen kamen näher, wurden deutlicher. Ich versuchte, sie zu ignorieren, wollte nichts hören, nur meine Ruhe haben.
    Aber die bekam ich nicht. Jetzt merkte ich, dass da jemand an mir zog, mich rüttelte, die Schmerzstöße durchschnitten meinen Kopf wie ein Messer und dann schoss es aus mir heraus. Irgendjemand hob mich hoch und hielt meinen Kopf nach unten, während es aus mir herausquoll, bis nur noch grüner Schleim von meinen Lippen tropfte. Die Schmerzen in meinem Kopf waren immer noch da, aber ich fühlte mich etwas besser und kam unsicher auf die Beine.
    Zwei Männer standen vor mir. Den einen kannte ich nicht, er trug eine Polizeiuniform, war groß, schlacksig und jung. Er versuchte energisch auszusehen, aber ganz offensichtlich fehlte ihm dazu die Erfahrung.
    Die hatte dafür der andere, mein alter Bekannter. Es war derselbe, mit dem ich von Kopenhagen aus wegen Sonja telefoniert hatte. Er war mittelgroß und leicht korpulent, sah freundlich und entgegenkommend aus. Er ähnelte einem netten Vater, der er auch war, aber man brauchte nicht weit hinter die Fassade zu schauen, dann stieß man auf eine ungewöhnliche Willensstärke. Ich kannte ihn seit vielen Jahren und wusste, dass er alles, was er sich vornahm, auch durchführte. Er hieß Karl Olsen. Wir redeten miteinander, wenn wir uns trafen, und waren halbwegs Freunde. Wie man eben befreundet ist, wenn man sich schon immer gekannt hat. Es gibt so viel Gemeinsames, was verbindet.
    Karl sah mich fragend an, sagte aber nichts.
    »Habt ihr ihn erwischt?«, quäkte ich.
    »Es war niemand außer dir hier, als wir kamen«, sagte Karl.
    »Und das ganze Haus war auf den Kopf gestellt«, fügte er hinzu.
    »Du brauchst mich gar nicht so anzusehen«, erwiderte ich, während ich vorsichtig mit der Hand meine rechte Kopfseite berührte. Da war es klebrig. Dieses Mal hatte der Schurke mich also blutig geschlagen. »Das war schon so, als ich gekommen bin.« Für einen Moment war Stille. »Woher wisst ihr eigentlich, dass ich hier bin?«, fragte ich schließlich.
    »Die Nachbarn haben angerufen. Sie wussten, dass das Haus versiegelt war, und dann haben sie einen Mann auf dem Hof gesehen – die Beschreibung passte auf jemanden, den ich kenne, leider –, und als er nicht zurückkam, haben sie uns angerufen.«
    »Was zum Teufel machst du hier?«, fuhr er schroff fort.
    »Wir waren heute Nacht hier und haben den Mann geholt, der hier wohnt … gewohnt hat«, korrigierte er sich. »Er lag tot im Keller. Und als ob das nicht reicht, finden wir dich heute bewusstlos im selben Haus, und nicht nur das Siegel ist aufgebrochen, sondern auch der größte Teil der Einrichtung zerstört.«
    Er hielt inne. Und jetzt wurden seine Augen kalt und hart wie Gewehrmündungen. »Warst du es, der uns angerufen hat?«
    Ich hob eine Hand, um ihn zu bremsen, bevor er noch wütender wurde. »Ja, das war ich und ich werde dir das Ganze erklären.«
    »Da kannst du sicher sein, dass du das wirst.« Mein Bekannter sah nicht aus, als hätte ihn mein Geständnis viel milder gestimmt.
     
    Der Kaffee in öffentlichen Institutionen und Büros ist meiner Erfahrung nach nur selten trinkbar. Er ist viel zu stark und viel zu bitter und in der Regel nur lauwarm. So auch der Kaffee auf dem Polizeirevier, wo ich zwei Stunden lang saß, um meinen Bericht zu wiederholen. Dabei wechselten Karl und der Leiter der Kriminalpolizei, ein Mann von Suðuroy in den Fünfzigern, sich damit ab, mich auszuschelten. Und sie nahmen dabei kein Blatt vor den Mund. Dieses Mal sollte ich noch davonkommen, und das auch nur, weil sie so nett waren, aber beim nächsten

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