Endstation Färöer
Nordatlantik war er einfach zu dünn, selbst mit bis über beide Ohren hochgeschlagenem Kragen. Ich sollte ihn gegen einen Parka tauschen, so unkleidsam ein solcher auch war.
Harald hatte mir erzählt, dass Andreas-Petur – hier folgte eine lange Reihe von Flüchen und Verwünschungen – ein größeres Plastikboot hatte, das an einem der Anleger vertäut war, und dass er oft dorthin ging und herumpusselte. Harald hatte ihn zwar nie an Bord des Paraguayers gesehen, aber wer weiß … Er wäre nur zu gern mit mir gekommen, aber er musste noch die Fenster vernageln und außerdem lag ein Haufen Papier auf seinem Schreibtisch.
An einem der letzten Anleger lag Andreas-Petur Joensens Boot. Es mochte etwa vier bis fünf Tonnen fassen, und Antennen und Radaranlage zeigten, dass es nicht gerade an der Ausrüstung mangelte, es war bereit, in See zu stechen und den Atlantik zu befahren, wenn man Lust dazu hatte. Die Lust war nun nicht gerade so vordringlich, denn wie für den Rest der zahllosen Fahrzeuge, die hier lagen, befand sich das ›wilde Meer‹ wohl auch für dieses Boot höchstens ein paar Reepschläge östlich von Nólsoy.
Als ich aufs Heck trat, schaukelte das Boot so stark, dass ich mich an einer Eisenstange am Steuerhaus festhalten musste, um nicht ins Wasser zu fallen. Wenn das schon reichte, dann war es sicher selbst bei absoluter Windstille nicht so angenehm, aus der Bucht hinauszufahren.
Falls jemand an Bord war, wusste er jetzt jedenfalls, dass er Besuch bekommen hatte.
Aber die Tür zum Steuerhaus war geschlossen und drinnen war niemand zu sehen. Es war möglich, dass er unter Deck war und keine Lust hatte, herauszufinden, wer der Gast war, aber alles schien völlig verlassen.
Oben auf dem Schoner war auch niemand. Obwohl er selbst bei diesem diesigen Wetter ein schöner Anblick war, fühlte ich mich unwohl, sobald ich das Schiff nur ansah. Ich kümmerte mich herzlich wenig darum, ob die an Bord wussten, was ich vorhatte.
Jetzt musste ich mir nur selbst im Klaren sein, was ich eigentlich wollte.
Es gab keinen Grund, hier stehen zu bleiben und zu warten, also sprang ich wieder auf den Anleger und ging zum Kai zurück. Unterwegs betrachtete ich die Yachtenflotte und kam zu dem Resultat, dass hier eine Geldquelle lag. Wenn man sie exportieren würde, könnten mit dem Erlös sämtliche Schulden gegenüber dem Ausland bezahlt werden. Außerdem würde die Hälfte der Besitzer im ersten Jahr gar nicht merken, dass ihr Boot verschwunden war.
Da entdeckte ich ihn. Er bog an der Ecke bei Valdemar Lützen aus der Tórsgøta und steuerte direkt auf mich zu. Er trug einen grönländischen Musk-ox der Sorte, bei dem man die Kapuze tief ins Gesicht ziehen kann, und er ging vorgebeugt, damit niemand ihn erkennen sollte. Aber seinen charakteristischen Entengang konnte er nicht verbergen. Ebenso gut hätte er ein Namensschild tragen können.
»Hast du es eilig?« Ich stand so dicht vor ihm, dass er nicht vorbeikam.
Andreas-Petur lugte unter der Kapuze hervor. Seine blassen Augen blickten suchend hin und her, wie bei einem Tier, das in eine Falle geraten ist und voller Angst nach einem Ausweg sucht. Er versuchte umzukehren und wegzulaufen, aber ich packte ihn am Kragen und hielt ihn fest.
»So einfach kommst du nicht davon, du Dreckskerl!«
Andreas-Petur schlug ein paarmal um sich, versuchte, mir das Handgelenk umzudrehen, fluchte und schnaufte, aber es war kein Problem für mich, ihn festzuhalten. Autos brausten vorbei und Gesichter schauten auf die zwei miteinander ringenden Männer. Niemand blieb stehen. Niemand hatte Lust, sich einzumischen.
»Wenn du nicht aufhörst, dich zu wehren, werden auf der Stelle alle erfahren, dass hier der Mann ist, der den Ølankret angesteckt hat. Die Polizei und die Clubmitglieder suchen dich bereits. Es wird bestimmt nicht witzig, wenn Letztere dich finden.«
Andreas-Petur sah mich entsetzt an. Es gab keinen Widerstand mehr, Angst beherrschte das weiße Gesicht, das mit dem Lächeln die Hälfte der Falten verloren hatte.
»Ich habe den Ølankret nicht angesteckt.« Seine Stimme zitterte. »Ich hab’s im Radio gehört, aber ich habe nichts damit zu tun.«
»Und wer hat mir was ins Glas gekippt, damit ich einschlafe? Und wer hat versucht, mich anschließend zu verbrennen?«
Ich schüttelte ihn, während ich redete, die Wut stieg in mir hoch, als mir wieder einfiel, welche Angst ich in der kleinen Toilette ausgestanden hatte.
»Das war ich nicht«, kam es beschwörend von
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