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Endstation Färöer

Endstation Färöer

Titel: Endstation Färöer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jógvan Isaksen
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Winter 51 in Færingehavn nicht mehr, als die Frostgrade mit der Jahreszahl übereinstimmten. Ich sage Ihnen, die Leute hier in Tórshavn wissen gar nicht, was Kälte ist. Oben im Eismeer und auf Grönland, da frieren …«
    Er schwang den Stock, während er mit glänzenden Augen und blinkenden falschen Zähnen von seinen gefährlichen Reisen in der Nähe des nördlichen Polargebiets erzählte. Währenddessen überlegte ich, was wohl an Bord vorgefallen sein konnte. Ich bezweifelte, dass Andreas-Petur in der Stimmung war, ein großes Fest zu veranstalten, während er sich vor der Polizei und wütenden Bierclubmitgliedern verstecken musste. Dahinter steckte etwas anderes. Und gewiss nichts Gutes.
    »Gibt es hier in der Nähe keine Beiboote oder etwas Ähnliches, womit ich hinüberkommen könnte?« Ich unterbrach den Alten mitten in einem Schneesturm, als zwei oder drei Eisbären ihm auf den Fersen waren. Wie viele es nun genau waren, bekam ich nicht mit, weil ich fand, dass ich mich lieber um andere Dinge kümmern sollte.
    Der Alte schwieg einen Augenblick, wischte sich mit dem Handrücken einen Tropfen von der rot geäderten Säufernase und sagte dann schleppend: »Wer weiß. Heutzutage werden alle Boote abgeschlossen, so oder so. Keiner hat Ruhe, solange nicht alles niet- und nagelfest ist. Früher wurden die Einbrecher nach Bremerholm hinter Schloss und Riegel geschickt, heute sind es die Sachen, die eingesperrt werden.«
    Er ging bis ans Ende des Stegs. »Wenn du das grüne Rennboot da vorne losmachen würdest, müsste das nicht rüber zu dem Boot treiben? Hinterher kannst du es ja wieder festbinden. So früh am Morgen kommt sowieso niemand hier vorbei.«
    Ich sah zu dem grünen Boot hin und war der Meinung, dass der Grönlandfahrer Recht haben könnte. Am Tauende war kein Schloss, ich müsste es nur losmachen und versuchen, mich hinüberzuschaukeln.
    Während ich mich damit abmühte, das Boot zu drehen, stand der Alte lächelnd da und beobachtete mich.
    »Dir scheint es ja furchtbar wichtig zu sein, so früh am Morgen schon zu feiern. Ich würde mir nicht solche Umstände machen, nur um ein paar schnarchende Trunkenbolde zu wecken.«
    »Dazu muss man jung sein«, entgegnete ich und schob das Boot, bis es sich langsam um die hinterste Vertäuung drehte.
    »Wir rennen von früh bis spät überall hin, wo etwas los ist.«
    Verdammt, es schien zu klappen. Ein Bootshaken half mir die letzten Meter und ich vertäute das Boot an einer Eisenstange, damit es mir nicht wegtrieb.
    Der Alte stand stumm auf dem Steg und sah mir zu.
    Die Tür zum Ruderhaus war nicht geschlossen, ich ging vorsichtig hinein. Auf den Planken lag ein großes Fernglas. Hier stimmte etwas nicht. Niemand lässt ein Fernglas einfach so liegen. Daneben lagen zwei Becher und ein paar Stifte und rollten langsam hin und her.
    Die kleine dunkelbraune Flügeltür in die Kajüte hinunter war geschlossen. Ich öffnete sie langsam und hockte mich davor, um hineinzusehen. Andreas-Petur war da und er würde nirgends mehr hingehen.
     
    Ich ging wieder an Deck, um frische Luft zu schöpfen, holte ein paarmal tief Luft und rief dem Alten zu, er möge die Polizei holen. Das schnelle Klacken seines Stockes war zu hören, als ich mich vorbeugte und meinen Magen entleerte. Auslöser war nicht allein der widerwärtige Anblick unten in der Kajüte, hinzu kam die Todesangst, die in mir aufstieg. Beides zusammen ließ meinen Magen reagieren.
    Als ich mir den Mund abgewischt hatte, warf ich das Taschentuch über Bord und sah ihm einen Moment lang hinterher: kreideweißer Unrat in dunklem, verschmutztem Wasser. Dann zwang ich mich, zurück in die Kajüte zu gehen.
    Dort sah es nicht gut aus.
    Andreas-Petur war auf dem Küchentisch festgebunden. Er war nackt. Eine Socke war ihm in den Mund gestopft worden und eine Plastikschnur saß stramm um seinen Hals. Der Körper war grob misshandelt worden, überall auf der bläulich blassen Haut waren Spuren von Zigarettenglut zu sehen. An einem Ende der Sitzbank stand ein Kassettenrekorder. Sicher hatten die Folterknechte damit ihr Fest veranstaltet. Und es war nur zu verständlich, dass laute Musik notwendig war, um zu übertönen, was hier passiert war. Zwischen den Beinen sah es schlimm aus. Ein blutiger Brei, ich musste mich zusammenkrümmen. Aber was mich dazu gebracht hatte, mich zu übergeben, war das Gesicht. Der Tod hatte die meisten Falten geglättet, das Gesicht erschien jünger, während gleichzeitig in den weit

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