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Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
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Journalisten und Techniker von CNN und NBC, aber auch vom deutschen RTL oder chinesischen Sendern. Wir wurden sehr freundlich von ihnen begrüßt, da wir ja für Sicherheit vor Ort sorgten, wie unmissverständlich zu sehen war: Bis an die Zähne bewaffnet standen Alex und ich in der Lobby des Hotels. An den Blicken war abzulesen, dass einige sich amüsierten und unseren Aufzug wohl komisch fanden, anderen sah man an, dass unser Anblick sie beruhigte.
    Am Abend stellte ich mein Feldbett auf den Balkon im 3. Stock, weil es drinnen heiß wie in einer Mikrowelle war. Auch draußen war es mit dem Schlafen schwierig, also legte ich meine Nachtsehgeräte bereit und beobachtete die ganze Nacht hindurch den Bereich vor dem Hotel, aber auch das Loya-Jirga-Zelt. Einen Luxus gönnte ich mir dann noch: Ich zog meine Schuhe aus. In unserem gemeinsamen Ruheraum hätte ich den Teufel getan. Alex wäre wohl nie wieder aufgewacht. Nachdem ich das Zelt mit einem Laserentfernungsmesser angepeilt hatte, stellte ich fest, dass es exakt 578 Meter entfernt war. Also noch in annehmbarer Kampfentfernung, falls irgendwas passieren sollte, beruhigte ich mich und döste danach eine Weile vor mich hin. Doch dann fuhr ich plötzlich hoch. Irgendwo aus der Dunkelheit war plötzlich ein Schrei zu hören.
    Mit einem Mal hellwach, nahm ich sofort mein Gewehr mit dem Nachtsichtgerät zur Hand und schaute, ob ich etwas erkennen konnte. Am östlichen Eingang des Loya-Jirga-Zeltes hatten Einheiten des 1 st BANG, der »Bataillon Afghanistan National Garde«, ein kleines Militärcamp zur Sicherung des inneren Rings um den Veranstaltungsort aufgebaut. Bei meiner näheren Überprüfung sah ich schlimme Szenen: Ältere afghanische Soldaten vergewaltigten dort ihre jüngeren Kameraden. Ich hatte schon ein paar Leute über dieses Thema munkeln hören, aber ich hatte die Behauptungen schlicht für unwahr gehalten. Nun wurde ich also eines Besseren belehrt. Schockiert sandte ich ein Dankgebet los, dass ich nicht Angehöriger der afghanischen Armee bin, sondern deutscher Soldat. Auch wir hatten mit viel Mist zu kämpfen, aber zum Glück nicht mit so etwas. Während der gesamten Loya Jirga hörte man nachts die Schreie der Unglücklichen. Mir sträubten sich jedes Mal die Nackenhaare dabei auf meinem Feldbett im dritten Stock, auf diesem kleinen Balkon.
    Irgendwann nach vier Uhr früh schreckte mich mein Funkgerät aus meinem Dämmerschlaf. Ich fühlte mich wie gerädert und hätte am liebsten gleich wieder die Augen zugemacht. Die Nachricht ließ mich allerdings auffahren. In einem Universitätsgebäude, nahe dem Loya-Jirga-Zelt, war ein tickender Koffer gefunden worden. Können die mit ihrem Bombenscheiß nicht mal warten, bis die Versammlung offiziell losgeht?, dachte ich mir. Es wurden sofort EOD-Kräfte in Marsch gesetzt, die den Koffer als Vorsichtsmaßnahme vor Ort sprengten. Als über Funk Vollzug gemeldet worden war, wich meine Anspannung, und ich machte mir erst mal Kaffee. Langsam begann auch das Hotel unter mir zu erwachen.
    Der NDS ging mir schon am zweiten Tag gehörig auf die Nerven. Die afghanischen Geheimdienstler traten uns gegenüber sehr arrogant auf und gebärdeten sich wie Könige. Unter vertrauensvoller Zusammenarbeit stellte ich mir etwas anderes vor. Auch ein gescheites Essen aus der Camp-Kantine und die Duschen vermisste ich schon am zweiten Tag. Mir kam es vor, als ob ich eine zweite, schleimige Hautschicht zusätzlich tragen würde. Zum Glück wurden wir von unseren Kameraden, den Fallschirmjägern, nicht im Stich gelassen. Fast täglich kamen sie zum Hotel und brachten uns etwas mit. Sie brachten die Post von zu Hause mit sowie andere aufmunternde Dinge. Zigaretten und Süßigkeiten als Nervennahrung standen bei mir sehr hoch im Kurs, auf Bier war ich nicht so scharf. Außerdem schauten mehrmals am Tag deutsche und österreichische Patrouillen bei uns vorbei, um Neuigkeiten über die Lageentwicklung zu erfahren. Auch was sie von ihren Patrouillen in Kabul zu erzählen hatten, interessierte uns natürlich, und so tauschten wir unsere Informationen aus. Über Funk bekamen wir permanent die chaotischsten Meldungen mit: Größere Truppenbewegungen in und um Kabul wurden ausgemacht; Geschütze sollten Richtung Loya Jirga in Stellung gebracht worden sein. Kurzum, die Meldungen überschlugen sich stündlich. Der Draht glühte den ganzen Tag, und wir hatten noch nicht einmal begonnen. Na toll!
    Zwei neue Offiziere kamen ins Hotel, um unseren

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