Endstation Mosel
steuerte den alten Ford Granada. Im Heckfenster lag eine umhäkelte Klopapierrolle.
Als Walde fünfzehn Jahre zuvor Meier kennen gelernt hatte, sah dieser aus, als stünde er kurz vor der Pension. Hager, faltig, groß, gebeugt. In seinen wenigen Worten schwangen immer ein Hauch Sarkasmus und Ironie mit. Meier hatte sich in den letzten fünfzehn Jahren nicht verändert. Vielleicht war er nun so alt wie Walde bei seinem Dienstantritt vermutet hatte? Gab es Menschen, die schon zu Lebzeiten mumifizierten?
Waldes Rasierwasser und Duschgel hatten nach vierzig Minuten Fahrt gegen Meiers Geruch nach ungelüfteter, verrauchter Kleidung verloren.
Walde war selten, aber gern mit Meier zusammen. Meier erinnerte ihn an seinen Vater. Besonders der Geruch. Genau die gleiche Duftwolke hatte Vater am Abend umgeben, wenn er aus der verqualmten Werkstatt gekommen war.
Im letzten Jahr hatte Walde im Erpressungsfall eines Zigarettenkonzerns von der Erfahrung des Kollegen profitieren können. Bis Polizeipräsident Stiermann es für nötig gehalten hatte, das Landeskriminalamt einzuschalten, und Walde der Fall entzogen worden war.
Meiers näselnde Stimme unterbrach Waldes Gedanken: »Ich kann mich noch gut erinnern, als wir das letzte Mal die Bereitschaftspolizei aus Wengerohr eingesetzt hatten, um diese Frittenbude zu stürmen.«
»Sie meinen den McDrive auf dem Messeplatz. Ich war leider verhindert.«
»Ich dachte damals, dieser Erpresser hätte Sie …« Meier zog die Hand an der Kehle vorbei.
»Mein Schädel hat es ausgehalten«, Walde fuhr sich reflexartig mit den Fingerspitzen durch die feuchten Haare. »Diesmal sind die aus Wengerohr nur in Alarmbereitschaft versetzt.«
»Samt Hubschrauber«, kam es knapp von Meier.
»Wenn schon, denn schon«, Walde hatte einen kritischen Unterton registriert.
»Was ist denn mit dem los?« Meier deutete nach rechts. Soeben überholten sie einen in sehr gemäßigtem Tempo fahrenden Wagen mit Harry am Steuer und Grabbe auf dem Beifahrersitz. »Die beiden sind doch eine viertel Stunde vor uns losgefahren!«
Harry schaute konzentriert geradeaus und reagierte nicht auf Waldes Handzeichen.
*
Der Nieselregen hatte aufgehört. Alle waren auf Position. Walde hatte die Leute auf dem Klinikgelände verteilt. Weitere beobachteten die Bundesstraße. Neben den alten Pilgerwegen war das die einzige Straße, die nach Steineroth führte. Die zehn Kripoleute verloren sich auf dem großen Gelände zwischen Besuchern, Lieferanten, Personal und Patienten.
Harry und Grabbe saßen in der Pförtnerloge. Harry kannte einen der diensthabenden Wachleute, der früher als Schließer in der Justizvollzugsanstalt Wittlich gearbeitet hatte.
Walde und Meier hatten sich auf einer trocken geriebenen Bank in dem kleinen Park gegenüber dem Haupteingang des Klinikgebäudes niedergelassen. Hier am Fuß des Hügels, auf dem das Gebäude mit der ominösen Station von Prof. Sieblich stand, war eine gute Position für die Zentrale der Überwachungsaktion. Jeder hatte zwei Mobiltelefone griffbereit. Kein Wort sollte über Funk gehen.
Walde genoss die zwischen den Wolken heraus lugende Maisonne.
Die Schwestern hatten hier eine geschützte Stelle für ihr Kloster gewählt, wo das raue Eifelklima durch die in Wetterrichtung liegenden Hügel gemildert wurde. Er stellte sich vor, wie die Backsteinmauern in der Abendsonne leuchteten. Der Name Steineroth kam sicher nicht von ungefähr. Hin und wieder wehte eine Rauchschwade von Meier herüber. Walde hatte Lust auf Musik. Ein getragener Rhythmus kam ihm in den Sinn: ruhiger Bass, Schlagzeug mit Besen, Bongos, zarte Gitarrenriffs …
»Der sieht aus wie neu«, Meier griff über die Lehne und zog hinter der Bank einen Schirm aus dem Rasen. Er spannte ihn auf. Walde erkannte seinen Schirm vom Vorabend wieder.
Ein Telefon klingelte. Sie hatten es versäumt, unterschiedliche Klingeltöne einzugeben. Es war einer von Waldes Apparaten.
»Lieferwagen mit der Aufschrift ›KLEIN – fein und rein‹ etwa fünf Kilometer vor Steineroth. Zwei Personen vorn, können sonst nichts erkennen. Die hinteren Scheiben sind mit dunkler Folie überklebt.«
»Verstanden, danke«, Walde erhob sich und wählte Harry an. »Es geht los. In zirka fünf Minuten trifft Hemp hier ein. Es bleibt dabei, Zugriff erst, wenn ich es sage.«
Meier führte die Telefonkette zu den übrigen Kollegen weiter.
Dunkle Wolken schoben sich vor die Sonne. Meier zündete eine neue Zigarette an. Walde überlegte, wie es
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