Endstation Oxford
meinte Craig und zeigte auf die Warnschilder, auf denen zähnefletschende Wachhunde abgebildet waren.
»Die Schilder besagen noch lange nicht, dass wirklich Hunde auf dem Gelände herumlaufen. Ich habe bisher noch keinen einzigen gesehen.«
Beide pressten die Gesichter an den Maschendraht und versuchten, so viel wie möglich von der Baustelle zu sehen. Plötzlich war das laute Bellen eines großen Hundes zu hören.
»Vielleicht ein Tonband«, sagte Kate.
»Willst du es darauf ankommen lassen?«
»Lieber nicht.«
»Okay, dann gehen wir jetzt zu Mr Brande«, erklärte Craig und machte sich entschlossenen Schrittes auf den Weg.
Auf dem Weg zur Banbury Road wehte ihnen feiner Schnee ins Gesicht. Bis sie in einer Seitenstraße das Reihenhaus der Brandes gefunden hatten, waren ihre Jacken und Mützen weiß.
»Wir könnten klingeln und ihm ein Weihnachtslied vorsingen«, schlug Kate vor.
»Im Januar dürfte es dafür ein wenig zu spät sein«, gab Craig zurück. Er liebte Musik und hatte bereits gehört, wie Kate ziemlich falsch vor sich hin summte. »Eigentlich hätte ich gedacht, dass ein erfolgreicher Bauunternehmer etwas luxuriöser wohnt«, fügte er hinzu und musterte die schmale, zugeparkte Straße. Die Vorgärten der Häuser waren winzig.
»Lass dich nicht täuschen«, antwortete Kate. »Wir sind hier ganz in der Nähe von Summertown. Die Preise dort treiben einem die Tränen in die Augen. Diese kleinen Häuser hier kosten mit Sicherheit doppelt so viel, wie du denkst.«
»Auf jeden Fall ist es hier schön grün.« Craig nickte.
»Sieh mal, da ist das Licht an. Vielleicht haben wir Glück.«
Der Tag war so düster, dass in fast allen Häusern Lichter brannten. Obwohl es bereits auf die Mittagszeit zuging, hatte sich die Straßenbeleuchtung noch nicht abgeschaltet.
Craig klingelte. Nur Sekunden später wurde die Tür geöffnet, und Austin stand vor ihnen.
»Ja, bitte?«
»Kate Ivory und Craig Jefferson. Wir haben uns auf der Hochzeit von Estelle Livingstone kennengelernt, und Craig und ich sind Freunde Ihrer Großmutter. Dürfen wir kurz reinkommen?«, bat Kate.
Ihr fiel auf, dass Austin bei Estelles Namen leicht zusammenzuckte. »Was wollen Sie?«, fragte er. Sein stämmiger Körper versperrte die Türöffnung. »Woher wissen Sie überhaupt, wo ich wohne?« Er musterte Craig und fügte hinzu: »Ich habe Sie doch gestern im Literaturcafé gesehen. Wir saßen am selben Tisch und haben uns unterhalten. Worum geht es?«
»Nur darum, dass wir uns Sorgen um Estelle Livingstone machen. Wir dachten, Sie könnten uns helfen herauszufinden, was mit ihr geschehen ist.« Craig sprach mit sanfter Stimme, um die Spannung aus der Situation zu nehmen. »Sie haben mir doch erzählt, dass Sie mit ihr über Ihren Roman gesprochen haben. Wir hatten gehofft, Sie könnten uns noch ein paar Einzelheiten darüber berichten.«
Austin zögerte noch kurz, schien sie dann aber doch für harmlos zu halten und bat sie ins Haus. Offenbar spürte er, dass er sie so leicht ohnehin nicht mehr loswerden würde.
Überrascht registrierten Kate und Craig, dass es in dem Haus offensichtlich Kinder gab. Überall lag Spielzeug und Kinderkleidung herum – ein Zustand, den Kate von Emmas Haus nur allzu gut kannte. Aber hatte sich Adela nicht beschwert, es würde allmählich Zeit, dass der Junge heiratete und eine Familie gründete?
»Wie viele Kinder haben Sie?«, erkundigte sich Kate und umrundete die Stolpersteine in gekonntem Slalom.
»Keines«, war die Antwort. »Wenn Sie es ganz genau wissen wollen: Die Kinder meiner Lebensgefährtin kommen uns von Zeit zu Zeit besuchen.«
»Aber jetzt scheinen sie nicht da zu sein.« Man hörte weder Kindergeschrei noch laute Spiele.
»Nein.« Austin hatte offenbar nicht die Absicht, das Thema zu vertiefen. »Was wollten Sie gestern im Literaturcafé?«, fragte er anklagend. »Warum verfolgen Sie mich?«
»Das tun wir doch überhaupt nicht! Wir waren dort, weil Emma Dolby, eine sehr gute Freundin von mir, Zara in der Küche hilft«, verteidigte sich Kate. »Es war purer Zufall, dass wir Sie dort getroffen haben. Andererseits haben wir alle mit Literatur zu tun, und da war unser Zusammentreffen vielleicht gar nicht so verwunderlich. Ja, und dann haben Sie Craig erzählt, dass Sie Estelle Ihren Roman geschickt haben, den diese aber abgelehnt hat.«
»Wieso interessieren Sie sich für Estelle Livingstone? Woher kennen Sie sie?«, fragte Austin, nachdem sie alle auf einem langen, schwarzen
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