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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Auszeichnung war. Aichacut war der Zornige, der uns stets finster ansah und auf Distanz blieb. Ich glaube, wenn Aichacut der Anführer der Gruppe gewesen wäre, als sie uns fanden, hätte es an jenem Tag Tote im Eis gegeben.
    Cuchtu war, dachten wir, eine Art Medizinmann; seine Aufgabe bestand darin, die Eisnische oder den Tunnel abzuschreiten, wo wir schliefen, Zaubersprüche zu murmeln und die Phantomhandschuhe auszuziehen, damit er die bloßen Handflächen auf das Eis pressen konnte. Ich nahm an, dass er böse Geister vertrieb. Aenea äußerte die sarkastische Vermutung, dass er vielleicht nur versuchte, was wir auch wollten – einen Ausweg aus diesem Labyrinth aus Eis zu finden.
    Chichticu war der Feuerträger und offensichtlich stolz, dass ihm diese Ehre zuteil geworden war. Die glimmende Kohle stellte uns vor ein Rätsel: Sie glühte tage-, sogar wochenlang und spendete Wärme und Licht, aber nie stocherte jemand darin oder erneuerte sie. Erst als wir Pater Glaucus kennen lernten, fanden wir die Lösung dieses Rätsels.
    Es gab keine Kinder in der Gruppe, und es war schwer, das Alter der Chitchatuk zu schätzen, die wir kennen lernten. Cuchiat war offenbar älter als die meisten – sein Gesicht wurde von einem Netz von Runzeln durchzogen, die sich von seiner breiten Nase ausbreiteten –, aber es gelang uns nie, uns mit einem von ihnen über das Alter zu unterhalten. Sie erkannten Aenea als Kind – zumindest als junge Erwachsene – und behandelten sie dementsprechend. Als wir drei Stammesangehörige als Frauen identifiziert hatten, stellten wir fest, dass sie ebenfalls abwechselnd mit den Männern ihre Rolle als Jäger und Wachtposten übernahmen. Sie erwiesen A. Bettik und mir die Ehre, Wache zu stehen, während die Gruppe schlief – es blieben immer drei Leute mit Waffen wach –, aber von Aenea verlangten sie nie, diese Aufgabe zu übernehmen. Doch ganz offensichtlich gefiel sie ihnen, und sie erfreuten sich an ihrer Gesellschaft, wobei alle diese Mischung aus einfachen Worten und mannigfaltigen Gesten benutzten, die seit dem Paläolithikum dazu dienen, die Kluft zwischen Völkern zu überbrücken.
    Am dritten Tag konnte Aenea sie überreden, mit uns zum Fluss zurückzukehren. Anfangs schienen sie verwirrt, aber mit Zeichen und den wenigen Worten, die sie aufgeschnappt hatte, konnte sie ihnen begreiflich machen, was sie wollte – der Fluss, das schwimmende Floß, der im Eis begrabene Bogen des Farcasters (was sie mit Ausrufen quittierten), dann die Eiswand und unseren Marsch durch den Eistunnel, bevor wir unsere Freunde, die Chitchatuk, getroffen hatten.
    Als Aenea vorschlug, dass wir zusammen zum Fluss zurückkehren sollten, sammelte die Gruppe die Schlafsäcke ein, stopfte sie in Tragebeutel aus Phantomfell und marschierte binnen weniger Augenblicke mit uns los.
    Ausnahmsweise ging ich voran, und die Leuchtskala des Trägheitskompasses entwirrte die zahlreichen Biegungen, Kurven, Steigungen und Gefalle, die wir in den drei Tagen unserer Wanderschaft hinter uns gebracht hatten.
    Ich sollte an dieser Stelle hinzufügen, dass ohne unsere Uhren die Zeit in den Eistunneln von Sol Draconi Septem gar nicht existiert hätte. Das unveränderliche düstere Glühen des Kohlebeckens, das Glitzern der Eiswände, die Dunkelheit vor und hinter uns, die alles durchdringende Kälte, die kurzen Schlafperioden und die endlosen, anstrengenden Fußmärsche durch die eisigen Korridore, während uns die Schwerkraft des Planeten niederdrückte – alles zusammen verwirrte unser Zeitgefühl. Aber der Uhr zufolge war es am Spätnachmittag des dritten Tages seit unserem Aufbruch vom Floß, als wir das letzte Stück des schmalen Flurs hinabschritten und zum Fluss zurückkehrten.
    Das Floß bot einen traurigen Anblick: der Hauptmast gebrochen, die Stämme gesplittert, das Heck des Floßes fast unter Wasser, weil sich Eis festgesetzt hatte, die Laternen, die wir zurückgelassen hatten, frostverkrustet – das gesamte Gebilde sah ohne Zelt und Ausrüstung einsam und verlassen aus. Die Chitchatuk waren fasziniert und gebärdeten sich so aufgeregt, wie wir es seit unserer ersten Begegnung noch nicht erlebt hatten.
    Cuchiat und mehrere der anderen ließen sich mit Seilen aus geflochtener Phantomhaut zu dem Floß hinunter und untersuchten jede Einzelheit gründlich – den Stein unseres aufgegebenen Herds, das Metall der Laternen, die Nylonschnur, mit der wir die Baumstämme zusammengebunden hatten.
    Ihre Aufregung war spürbar, und

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