Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
kannst.«
Der phantombekleidete Krieger hielt eine kurze, schroffe Rede.
»Also«, sagte ich zu dem Komlog.
»Diese Sprache oder dieser Dialekt sind mir nicht bekannt«, ertönte die Stimme des Schiffs aus dem Komlog. »Ich kenne mehrere Sprachen der Alten Erde, einschließlich Prä-Netz-Englisch, Deutsch, Französisch, Holländisch, Japanisch –«
»Vergiss es«, sagte ich. Die Chitchatuk betrachteten das sprechende Komlog, aber die dunklen Augen, die zwischen Phantomzähnen hervorschauten, drückten keine Furcht oder Aberglauben aus – nur Neugier.
»Ich würde vorschlagen«, fuhr das Komlog fort, »dass Sie mich einige Wochen oder Monate eingeschaltet lassen, während diese Sprache gesprochen wird. Ich könnte dann eine Datenbank erstellen, mittels derer man ein einfaches Lexikon erarbeiten könnte. Außerdem könnte es ratsam sein zu –«
»Vielen Dank«, sagte ich und schaltete es aus.
Aenea ging einen Schritt näher zu Cuchiat und stellte pantomimisch dar, dass wir müde waren und froren. Sie machte Gesten für Essen, wie wir eine Decke über uns zogen und schliefen.
Cuchiat grunzte und beratschlagte sich mit den anderen. Inzwischen drängten sich sieben Chitchatuk in dem Eistunnel, und wir sollten erfahren, dass ihre Jagdtrupps immer in Primzahlen unterwegs waren, ebenso größere Gruppen. Als Cuchiat schließlich mit jedem Einzelnen seiner Männer gesprochen hatte, wandte er sich kurz an uns, drehte sich zu dem Korridor um, der nach oben führte, und bedeutete uns, ihm zu folgen.
Zitternd und von der Last der Schwerkraft dieser Welt gebeugt, folgten wir Cuchiat und seinen Männern zum Lager der Chitchatuk, während wir uns bemühten, im Halbdunkel zu sehen, da wir die Handlampen ausgeschaltet hatten, um Energie zu sparen, und ich mich versicherte, dass mein Trägheitskompass funktionierte und seine Spur digitaler Brotkrumen hinterließ.
Sie waren ein großzügiges Volk. Sie gaben uns Phantomfelle zum Tragen, Felldecken, auf und unter denen wir schlafen konnten, Phantomsuppe, die sie über ihrem kleinen Kessel heiß machten, Wasser aus ihren körperwarmen Schläuchen, und sie schenkten uns ihr Vertrauen. Die Chitchatuk, sollten wir bald herausfinden, führten untereinander keinen Krieg. Der Gedanke, einen anderen Menschen zu töten, war ihnen fremd.
Im Grunde genommen waren die Chitchatuk – Eingeborene, die sich seit fast tausend Jahren an das Leben im Eis angepasst hatten – die einzigen Überlebenden des Falls, der Virenpest und der Phantome. Die Chitchatuk holten sich alles, was sie brauchten, von den monströsen Phantomen, und –
soweit wir das beurteilen konnten – die Phantome selbst ernährten sich ausschließlich von den Chitchatuk. Alle anderen Lebensformen – die nie eine große Rolle gespielt hatten – waren nach dem Fall und dem Scheitern der Terraformung ausgestorben.
An unseren ersten zwei Tagen bei ihnen schliefen und aßen wir und versuchten, uns verständlich zu machen. Die Chitchatuk bauten keine festen Dörfer im Eis: Sie schliefen ein paar Stunden, legten ihre Decken zusammen und zogen weiter durch die Einöde der Tunnel. Wenn sie Eiswasser erhitzten – ihr einziger Verwendungszweck für Feuer, da die Glut nicht ausreichte, sie zu wärmen, und sie ihr Fleisch roh aßen –, hängten sie das Kohlebecken an drei Phantomsehnen an der Eisdecke auf, damit keine verräterische geschmolzene Stelle im Eis zurückblieb.
Der Stamm, die Gruppe, der Klan – wie immer man dazu sagen mochte – bestand aus dreiundzwanzig Mitgliedern, und anfangs war es uns nicht möglich zu sagen, ob sich auch Frauen darunter befanden. Die Chitchatuk schienen ihre Kleidung ununterbrochen zu tragen und hoben sie nur so weit hoch, dass sie beim Verrichten ihrer Notdurft in eine der Eisspalten nicht beschmutzt wurde. Erst als wir in unserer dritten Schlafperiode sahen, wie die Frau namens Chatchia sich mit Cuchiat paarte, waren wir sicher, dass sich auch Frauen in der Gruppe aufhielten.
Als wir die nächsten zwei Tage mit ihnen durch die einförmig düsteren Tunnel zogen und mit ihnen redeten, lernten wir ihre Namen und konnten allmählich ihre Gesichter unterscheiden. Cuchiat, der Anführer, war – trotz seiner polternden Stimme – ein sanftmütiger Mann, der mit seinen schmalen Lippen und seinen schwarzen Augen zugleich lächelte. Chiaku, sein Stellvertreter, war der größte der Gruppe und trug ein Phantomfell mit einem blutigen Streifen darauf, was, wie wir später erfuhren, eine ehrenhafte
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