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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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nehmen will, da er Sie als rückhaltlosen Mann des Gewissens kennt.«
    »Schreckliche Notwendigkeit?«, sagt de Soya und begreift mit einem Anflug völliger Niedergeschlagenheit, worum genau es sich dabei handelt.
    Lourdusamys Gesichtszüge bestehen nur aus hellen Flächen und dunklen Schatten, als er sich über den Schreibtisch beugt. »Der cybridentsprossene Sukkubus muss ausgemerzt werden. Vernichtet. Der Virus muss als erster Schritt der bevorstehenden chirurgischen Maßnahmen aus dem Leib Christi verbannt werden.«
    De Soya zählt bis acht, bevor er spricht. »Ich finde das Kind«, sagt er.
    »Diese... Kriegerin... tötet es.«
    »Ja«, sagt Lourdusamy. Es folgt keine Diskussion, ob Pater Captain de Soya diese veränderte Mission akzeptieren wird. Auferstehungschristen, Priester und speziell Jesuiten und Flottenoffiziere des Pax widersprechen nicht, wenn der Heilige Vater und die Heilige Mutter Kirche ihnen Pflichten auferlegen.
    »Wann werde ich diese Kriegerin kennen lernen, Eure Exzellenz?«, fragt de Soya.
    »Die Raphael wird noch heute Nachmittag ins System Sol Draconi übersetzen«, flötet Monsignore Oddi von seinem Platz links hinter de Soya.
    »Ihr neues Besatzungsmitglied ist bereits an Bord.«
    »Darf ich ihren Namen und Dienstgrad erfahren?«, fragt de Soya, dreht sich um und sieht den großen Monsignore an.
    Kardinal-Staatssekretär Simon Augustino Lourdusamy antwortet. »Sie hat bisher noch keinen offiziellen Dienstgrad, Pater Captain de Soya. Mit der Zeit wird sie Offizier in der neu formierten Legion des Kreuzzugs werden. Vorerst werden Sie und Ihre Soldaten sie nur mit dem Namen ansprechen.«
    De Soya wartet.
    »Und der lautet Nemes«, knurrt der Kardinal. »Rhadamanth Nemes.« Der Blick seiner kleinen Äuglein wandert zu Lucas Oddi. Der Monsignore steht auf. De Soya springt ebenfalls auf die Füße. Die Audienz ist offenbar zu Ende.
    Lourdusamy hebt die feiste Hand mit drei ausgestreckten Fingern zum Segen. De Soya neigt den Kopf.
    »Möge unser Herr und Erlöser Jesus Christus Ihnen beistehen und Sie schützen und Ihnen Erfolg bei dieser wichtigsten aller Reisen bringen. Im Namen Jesu Christi.«
    »Amen«, murmelt Monsignore Lucas Oddi.
    »Amen«, sagt de Soya.

44

    Es handelte sich nicht nur um ein einziges im Eis gefrorenes Gebäude. Eine ganze Stadt war hier in der resublimierten Atmosphäre von Sol Draconi Septem begraben, ein winziges Stück Hybris der Hegemonie fest eingeschlossen wie ein urzeitliches Insekt im Bernstein.
    Pater Glaucus war ein sanftmütiger, humorvoller, großzügiger Mann. Wir erfuhren bald, dass er nach Sol Draconi Septem strafversetzt worden war, weil er einem der letzten Teilhardschen Orden der Kirche angehört hatte.
    Zwar verwarf sein Orden die Grundgedanken Teilhards, nachdem Julius VI. eine Enzyklika veröffentlicht hatte, in der er die Philosophie des Gegenpapstes als Blasphemie verwarf, dennoch war der Orden aufgelöst und seine Mitglieder exkommuniziert oder an den Arsch des Pax-Einflussbereichs strafversetzt worden. Pater Glaucus bezeichnete seine fünfundsiebzig Standardjahre in dieser Eisgruft nicht als Exil – er nannte sie seine Mission.
    Pater Glaucus gab gerne zu, dass keiner der Chitchatuk das leiseste Interesse gezeigt hatte, zu konvertieren, bekannte aber zugleich, dass er wenig Interesse hatte sie zu bekehren. Er bewunderte ihren Mut, respektierte ihre Ehrlichkeit und war fasziniert von ihrer hart erarbeiteten Kultur. Bevor er blind wurde – Schneeblindheit, sagte er dazu, kein einfacher grauer Star... eine Kombination von Kälte, Vakuum und harter Strahlung an der Oberfläche –, war Pater Glaucus mit zahlreichen Gruppen der Chitchatuk herumgezogen. »Damals waren es mehr«, sagte der alte Priester, als wir in seinem hell erleuchteten Arbeitszimmer saßen. »Der Verschleiß hat seinen Tribut gefordert. Vor fünfzig Jahren gab es Zehntausende Chitchatuk in der Gegend, heute haben nur ein paar hundert überlebt.«
    In den ersten beiden Tagen verbrachte ich viel Zeit damit, die gefrorene Stadt zu erforschen, während Aenea und A. Bettik sich mit dem blinden Priester unterhielten.
    Pater Glaucus beleuchtete vier Etagen eines hohen Gebäudes mit den Brennschrotlaternen. »Um die Phantome fern zu halten«, sagte er. »Sie hassen das Licht.« Ich fand eine Treppe und ging mit einer Handlampe und gezückter Waffe in die Dunkelheit hinab. Zwanzig Stockwerke tiefer führte ein Wirrwarr von Eistunneln in andere Gebäude der Stadt. Vor Jahrzehnten hatte

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