Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Pater Glaucus die Eingänge zu diesen versunkenen Gebäuden mit einem Leuchtstift markiert – GERICHT, KOMMUNIKATIONSZEN-TRUM, KUPPEL DER HEGEMONIE, HOTEL und so weiter. Ich
erforschte einige davon und fand in manchen Spuren kürzlicher Anwesenheit des Priesters. Bei meinem dritten Ausflug fand ich das tief gelegene Lager, wo die energiereichen Brennschrotkügelchen aufbewahrt wurden. Sie bildeten die Quelle von Licht und Wärme für den alten Priester und darüber hinaus sein primäres Zahlungsmittel, das die Chitchatuk immer wieder zu ihm führte.
»Von den Phantomen bekommen sie alles, außer brennbarem Material«, hatte er gesagt. »Die Kügelchen spenden ihnen Licht und etwas Wärme.
Wir haben Spaß an dem Tauschhandel – sie geben mir Phantomfleisch und -felle, ich gebe ihnen Licht und Wärme und geschwätzige Konversation.
Ich glaube, sie haben anfangs nur mit mir geredet, weil meine Gruppe aus der elegantesten denkbaren Primzahl bestand... eins! Anfangs habe ich das Lager des Schrots geheim gehalten. Heute weiß ich, dass mich die Chitchatuk niemals bestehlen würden. Selbst wenn ihr Leben davon abhängen würde. Selbst wenn das Leben ihrer Kinder davon abhängen würde.«
Sonst gab es in der versunkenen Stadt wenig zu sehen. Hier unten herrschte absolute Finsternis, und meine Handlampe konnte das Dunkel kaum durchdringen. Meine Hoffnungen, hier unten eine einfache Möglichkeit zu finden, wie wir flussabwärts zu dem zweiten Torbogen kommen konnten – möglicherweise einen gigantischen Flammenwerfer oder einen Fusionsbohrer –, wurden rasch zunichte gemacht. Mit Ausnahme von Pater Glaucus’ vier möblierten Stockwerken mit ihren Büchern, ihrem Licht, ihrer Nahrung, Wärme und Konversation war die Stadt so kalt und tot wie der neunte Kreis der Hölle.
Am dritten oder vierten Tag hier unten, kurz vor dem Essen, leistete ich ihnen bei einem Schwätzchen mit dem Priester in dessen Arbeitszimmer Gesellschaft. Die Bücher in den Regalen hatte ich mir bereits angesehen: Bände über Philosophie und Theologie, Kriminalromane, astronomische Fachbücher, ethnologische Studien, Neuanthro-Folianten, Abenteuerromane, Zimmermannshandbücher, medizinische Fachbücher, Bücher über Zoologie... »Das Traurigste an meiner Erblindung vor dreißig Jahren«, hatte Pater Glaucus am ersten Tag gesagt, als er uns die Bibliothek voller Stolz zeigte, »war die Tatsache, dass ich meine geliebten Bücher nicht mehr lesen konnte. Ich bin der verhinderte Prospero. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel Zeit es mich gekostet hat, diese dreitausend Bände von der Bibliothek fünfzig Stockwerke tiefer heraufzuschleppen!«
Nachmittags, wenn ich kundschaften ging und A. Bettik sich zurückzog, um selbst zu lesen, las Aenea dem alten Priester laut vor. Einmal betrat ich das Zimmer, ohne anzuklopfen, und sah Tränen auf den Wangen des alten Missionars.
Als ich mich an jenem Tag zu ihnen gesellte, erläuterte Pater Glaucus gerade Teilhard – den ursprünglichen Jesuiten, nicht den Gegenpapst, den Julius VI. verdrängt hatte.
»Er war Krankenträger im Ersten Weltkrieg«, sagte Pater Glaucus. »Er hätte Kaplan werden und der Front fernbleiben können, entschied sich aber dafür, Krankenträger zu werden. Sie haben ihm Orden für seine Tapferkeit gegeben, darunter einen namens Ehrenlegion.«
A. Bettik räusperte sich höflich. »Entschuldigung, Pater«, sagte er leise. »Gehe ich recht in der Annahme, dass der Erste Weltkrieg ein auf die Alte Erde begrenzter Konflikt vor der Hegira war?«
Der bärtige Priester lächelte. »Exakt, exakt, mein teurer Freund. Frühes zwanzigstes Jahrhundert. Schrecklicher Konflikt. Schrecklich. Und Teilhard war mittendrin. Er hat den Krieg für den Rest seines Lebens gehasst.«
Pater Glaucus hatte sich vor langer Zeit selbst einen Schaukelstuhl gebaut, und nun schaukelte er vor dem Feuer aus Brennschrotkugeln, das in einem behelfsmäßigen Kamin glomm. Die goldene Glut warf lange Schatten und spendete mehr Wärme, als wir genossen hatten, seit wir durch das Farcasterportal gekommen waren. »Teilhard war Geologe und Paläontologe. In China – einem Nationalstaat der Alten Erde, meine Freunde – entwickelte er seine Theorie, wonach die Evolution ein noch nicht abgeschlossener Prozess mit einem bestimmten Ziel war. Er sah das Universum als Gottes Entwurf, um den Christus der Evolution, das Persönliche und das Universelle zu einer einzigen bewussten Einheit zu verschmelzen. Teilhard de
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