Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
und dargelegt, dass nur gehorsame Erfüllung von Gottes Willen die Quelle von Offenbarung und Erlösung sein könnte.
»Durch Offenbarung«, sagt Lourdusamy, »weiß Seine Heiligkeit, wo die Cybridbrut und ihre Helfershelfer sich in diesem Augenblick befinden.«
De Soya beugt sich nach vorn. »Wo, Eure Eminenz?«
»Auf der verlassenen Eiswelt Sol Draconi Septem«, knurrt der Kardinal.
»Seine Heiligkeit ist sich dessen völlig sicher. Und er ist sich auch der Konsequenzen völlig sicher, wenn sie nicht aufgehalten wird.«
Lourdusamy geht um den langen Tisch herum und stellt sich neben den Priester-Captain. De Soya schaut auf und sieht leuchtendes Rot, blitzendes Weiß und die winzigen Augen, deren Blick ihn durchbohrt. »Sie ist auf der Suche nach Verbündeten«, grollt der Kardinal. »Verbündete, die ihr helfen, den Pax zu vernichten und die Kirche zu entweihen. Bis zu diesem Augenblick war sie wie ein tödlicher Virus in einer gottverlassenen Region
– eine potentielle Gefahr, aber einzugrenzen. Wenn sie uns jetzt entkommt, wird sie heranwachsen und ihre uneingeschränkte Macht entfalten... die uneingeschränkte Macht des Widersachers.«
Über der leuchtenden Schulter des Kardinals kann de Soya die verschlungenen Gestalten des Deckenfreskos erkennen.
»Jedes einzelne der alten Farcasterportale wird sich gleichzeitig auftun«, knurrt die rote Gestalt. »Der Dämon Shrike wird... in einer Million Inkarnationen... hindurchtreten und Christen abschlachten. Die Ousters werden mit Waffen des TechnoCore und schrecklichen KI-Technologien ausgerüstet. Sie haben bereits subzellulare Maschinen benutzt, um sich in etwas Menschenähnliches zu verwandeln. Sie haben bereits ihre unsterblichen Seelen für die Maschinerie geopfert, mit der sie sich an den Weltraum anpassen können, Sonnenlicht essen, mit der sie existieren können wie... wie Pflanzen in der Dunkelheit. Die geheimen Maschinen des Core werden ihre Kampfkraft tausendfach verstärken. Nicht einmal die Kirche wird sich dieser bösen Macht entgegenstellen können. Milliarden werden den wahren Tod sterben, man wird ihnen die Kruziformen nehmen und ihre Seelen aus den Körpern reißen wie schlagende Herzen aus lebender Brust. Abermilliarden werden sterben. Die Ousters werden brandschatzend durch den Pax ziehen, Verwüstungen anrichten wie die Vandalen und Westgoten, sie werden Pacem vernichten, den Vatikan und alles, was wir kennen. Sie werden den Frieden vernichten. Sie werden das Leben verleugnen und unser Prinzip der Würde des Individuums mit Füßen treten.«
De Soya bleibt sitzen und wartet.
»Aber so weit muss es nicht kommen«, sagt Kardinal Lourdusamy vom Sekretariat. »Seine Heiligkeit betet jeden Tag, dass es nicht so weit kommen wird. Aber es sind gefährliche Zeiten, Federico... für die Kirche, für den Pax, für die Zukunft des Menschengeschlechts. Er hat gesehen, was sein könnte, und unser aller Leben und heilige Ehre als Kirchenfürsten ins Feld geworfen, um zu verhindern, dass etwas so Schreckliches Wirklichkeit werfen kann.«
De Soya schaut auf, als sich der Kardinal über ihn beugt.
»Ich muss Ihnen in diesem Augenblick etwas enthüllen, Federico, das Milliarden Gläubige erst in Monaten erfahren werden... Heute, in dieser Stunde, verkündet Seine Heiligkeit vor der Interstellaren Bischofskonferenz... einen Kreuzzug.«
»Einen Kreuzzug?«, wiederholt de Soya. Selbst der unerschütterliche Monsignore Oddi gibt ein leises, kehliges Geräusch von sich.
»Einen Kreuzzug gegen die Bedrohung durch die Ousters«, grollt Kardinal Lourdusamy. »Jahrhundertelang haben wir uns verteidigt – die Große Mauer ist ein strategisches Mittel der Verteidigung, bei der Schiffe und Leiber von Christen sich den aggressiven Ousters in den Weg stellen –, aber von diesem Tage an werden Kirche und Pax mit der Gnade Gottes in die Offensive gehen.«
»Wie?«, fragt de Soya. Er weiß, dass im Niemandsland des grauen Raums zwischen dem Pax und der Region der Ousters bereits Gefechte wüten, deren Flottenangriffs- und -abwehrmanöver, Vorstöße und Rückzüge, sich über Tausende von Parseks erstrecken. Aber aufgrund der Zeitschuld – die längste Reise von Pacem zu den entlegensten Ausläufern der Großen Mauer beträgt zwei Jahre Schiffszeit, mehr als zwanzig Jahre Zeitschuld – lassen sich weder Angriff noch Verteidigung sinnvoll koordinieren, wenn überhaupt.
Lourdusamy lächelt grimmig und antwortet. »Während wir uns unterhalten, wird jede Welt im
Weitere Kostenlose Bücher