Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
vor dem Monsignore auf die Knie und küsst den Ring an der ausgestreckten Hand.
»Stehen Sie auf«, sagt Kardinal Lourdusamy. Er ist ein großer Mann mit einem rundlichen Gesicht und Hängebacken, und für de Soya klingt seine tiefe Stimme wie die Gottes. »Setzen Sie sich«, sagt der Kardinal.
De Soya setzt sich auf die Steinbank, doch die anderen bleiben stehen.
Links von dem Kardinal sitzt ein anderer Mann im Schatten. Im Halbdunkel kann de Soya die Uniform des Pax erkennen, aber keine Rangabzeichen. Undeutlich nimmt er in den dunkleren Schatten einer Laube zu ihrer Linken andere Menschen wahr – mindestens einen, der sitzt, und mehrere, die stehen.
»Pater de Soya«, beginnt Simon Augustino Kardinal Lourdusamy und nickt dem Mann zu, der links von ihm sitzt, »darf ich Ihnen Flottenadmiral William Lee Marusyn vorstellen.«
De Soya springt sofort auf die Füße, salutiert und steht stocksteif in Habacht-Stellung. »Bitte um Entschuldigung, Admiral«, presst er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich habe Sie nicht erkannt, Sir.«
»Rührt euch«, sagt Marusyn. »Setzen Sie sich, Captain.«
De Soya setzt sich wieder, aber jetzt zaghaft, und das Wissen um die Gesellschaft, in der er sich befindet, brennt durch den freudigen Nebel seiner Auferstehung wie heißes Sonnenlicht.
»Wir sind außerordentlich zufrieden mit Ihnen, Captain«, sagt Admiral Marusyn.
»Danke, Sir«, murmelt der Priester und dreht sich wieder zu den Schatten um. Es sind definitiv noch andere da, die aus der Laube zusehen.
»Wir ebenfalls«, brummt Kardinal Lourdusamy. »Darum haben wir Sie für diese Mission ausgewählt.«
»Mission, Eure Eminenz?«, sagt de Soya. Ihm ist schwindlig vor Nervosität und Verwirrung.
»Wie immer werden Sie dem Pax und der Kirche gleichermaßen dienen«, sagt der Admiral und beugt sich im Halbdunkel näher heran. Die Welt Pacem hat keinen Mond, aber das Licht der Sterne ist ausgesprochen hell hier, als sich de Soyas Augen an die Düsternis gewöhnt haben. Irgendwo ruft eine leise Glocke Mönche zur Vesper. Lichter der Gebäude des Vatikans hüllen die Kuppel des Petersdoms in ein sanftes Leuchten.
»Und wie immer«, fährt der Kardinal fort, »werden Sie sowohl der Kirche als auch den militärischen Behörden Bericht erstatten.« Der große Mann verstummt und sieht den Admiral an.
»Was ist meine Mission, Eure Eminenz? Admiral?«, fragt de Soya, der nicht weiß, welchen Mann er ansprechen soll. Marusyn ist sein höchster Vorgesetzter, aber Pax-Offiziere stehen für gewöhnlich unter hohen kirchlichen Würdenträgern.
Keiner der Männer antwortet, aber Marusyn nickt Captain Marget Wu zu, die mehrere Meter entfernt an der Hecke steht. Die Pax-Offizierin tritt rasch vor und überreicht de Soya einen Holowürfel.
»Aktivieren Sie ihn«, sagt Admiral Marusyn.
De Soya berührt die Unterseite des kleinen Keramikwürfels. Das Bild eines Mädchens flackert über dem Würfel auf. De Soya dreht das Bild und bemerkt das dunkle Haar, die großen Augen und den durchdringenden Blick des Mädchens. Kopf und Hals des körperlosen Mädchens sind das Hellste in der Dunkelheit des Vatikangartens. Pater de Soya schaut auf und sieht das Leuchten des Holos in den Augen des Kardinals und des Admirals.
»Ihr Name... nun, wir sind nicht sicher, was ihren Namen angeht«, sagt Kardinal Lourdusamy. »Wie alt sieht sie in Ihren Augen aus, Pater?«
De Soya betrachtet wieder das Bild, schätzt das Alter und rechnet die Jahre in Standard um. »Vielleicht zwölf?«, rät er. Seit er selbst eins war, hat er wenig Zeit mit Kindern verbracht. »Elf? Standard.«
Kardinal Lourdusamy nickt. »Sie war elf Standardjahre alt, auf Hyperion, als sie vor mehr als zweihundertsechzig Standardjahren verschwunden ist, Pater.«
De Soya betrachtet das Holo wieder. Also ist das Kind wahrscheinlich tot
– er konnte sich nicht erinnern, ob der Pax das Sakrament der Auferstehung vor zweihundertsiebenundsiebzig Jahren schon nach Hyperion gebracht hat
– oder mit ziemlicher Sicherheit erwachsen und wieder geboren. Er fragt sich, weshalb sie ihm ein Holo dieser Person als Kind vor Jahrhunderten zeigen. Er wartet.
»Dieses Kind ist die Tochter einer Frau namens Brawne Lamia«, sagt Admiral Marusyn. »Sagt Ihnen dieser Name etwas, Pater?« Er sagt ihm etwas, aber im ersten Augenblick kann sich de Soya nicht erinnern, aus welchem Grund. Dann fallen ihm die Verse der Cantos ein, und er erinnert sich an die Pilgerin in dieser
Weitere Kostenlose Bücher