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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ist nicht das richtige Wort. Ich hatte schon Bäume gesehen. Dies war kein Baum.
    Ich hatte viel von den alten Weltbäumen der Tempelritter gehört, hatte den Stumpf des Weltbaums auf God’s Grove gesehen, und ich hatte von den kilometerlangen Baumschiffen gehört, die zu Zeiten von Martin Silenus’ Pilgerfahrt durch das All gereist waren.
    Dies war kein Weltbaum oder Baumschiff.
    Ich hatte wilde Legenden – sogar von Aenea, also waren es wahrscheinlich keine Legenden – über einen ringförmigen Baum um einen Stern gehört, einen fantastischen geflochtenen Ring aus lebendem Material, das sich rings um einen Stern wie die Sonne der Alten Erde erstreckte. Ich hatte einmal auszurechnen versucht, wie viel organisches Material dazu erforderlich gewesen wäre, und entschieden, dass es Unsinn sein musste.
    Dies war kein Baumring.
    Was sich da in alle Richtungen ausbreitete und sich über Flächen hinwegkrümmte, die mein an planetare Maßstäbe gewohnter Verstand nicht erfassen konnte, war eine verflochtene Kugel aus lebendem Pflanzenmaterial – Stämme mit Durchmessern von zehn oder Hunderten Kilometern, ganze Klicks durchmessende Äste, Blätter mit einer Fläche von Hunderten Quadratmetern, Luftwurzeln, die sich wie Synapsen Gottes Hunderte... nein, Tausende von Kilometern in den Weltraum erstreckten –
    ein Gitter von Korkenzieherzweigen in alle Richtungen; Stämme, so lang wie der Mississippi auf der Alten Erde, die in der Ferne wie winzige Zweige wirkten; Umrisse von Bäumen, die so groß zu sein schienen wie mein Heimatkontinent Aquila auf Hyperion verschmolzen mit Tausenden von anderen Klumpen und massenhaftem Grün, alles einwärts gekrümmt, auf allen Seiten, in jeder Richtung... außerdem viele schwarze Löcher, Öffnungen zum Weltraum, manche Löcher größer als Stämme und Grünzeug, die sich durch sie hindurchwanden... aber niemals völlig freie Öffnungen... überall rankten sich Stämme und Äste und Wurzeln ineinander und öffneten zahllose Milliarden grüner Blätter zu dem Stern hin, der im Zentrum des Vakuums im Mittelpunkt von...
    Ich machte die Augen zu. »Das kann nicht real sein«, sagte ich.
    »Ist es aber«, sagte Rachel.
    »Die Ousters?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte Aeneas Freundin, das Kind aus den Cantos. »Und die Tempelritter. Und die Ergs. Und... andere. Es lebt, ist aber ein Konstrukt... ein beseeltes Ding.«
    »Unmöglich«, sagte ich. »Es würde Jahrmillionen dauern, diese... Sphäre zu züchten.«
    »Biosphäre«, sagte Rachel lächelnd.
    Ich schüttelte wieder den Kopf. »Biosphäre ist ein alter Ausdruck. Sie ist nur die Gesamtheit aller Lebewesen auf einem Planeten und um ihn herum.«
    »Dies ist eine Biosphäre«, sagte Rachel wieder. »Nur gibt es keine Planeten hier. Kometen schon, aber keine Planeten.« Sie zeigte mit dem Finger.
    In großer Entfernung, möglicherweise Hunderttausende Kilometer entfernt, wo das Innere dieser lebenden Kugel selbst im klaren Vakuum zu grünen Schlieren verschwamm, bewegte sich langsam ein langer, weißer Streifen durch die schwarze Lücke zwischen den Stämmen.
    »Ein Komet«, wiederholte ich ein wenig dümmlich.
    »Rachel...«, begann ich linkisch.
    Sie wartete, schwebte, streckte die Hände aus und berührte die transparente Wand der Kapsel, um sich relativ zu mir in eine aufrechte Haltung zu bringen.
    »Rachel, wir haben nie viel miteinander geredet...«
    »Du konntest mich nicht leiden«, sagte die junge Frau mit einem verhaltenen Lächeln.
    »Das stimmt nicht... Ich meine, in gewisser Weise hat es gestimmt, aber das liegt daran, dass ich anfangs nichts begriffen habe. Für Aenea war ich fünf Jahre weg gewesen... es war schwer... ich schätze, ich war eifersüchtig.«
    Sie zog die dunklen Brauen hoch. »Eifersüchtig, wieso, Raul? Hast du geglaubt, dass Aenea und ich in den Standardjahren, die du weg warst, ein Liebespaar gewesen sind?«
    »Nun, nein... ich meine, ich wusste nicht...«
    Rachel hob eine Hand und ersparte mir weitere Ausflüchte. »Sind wir nicht«, sagte sie. »Waren wir nie. Aenea hätte so etwas nie in Betracht gezogen. Theo hätte es vielleicht in Erwägung gezogen, aber sie wusste von Anfang an, dass es Aeneas und mein Schicksal war, bestimmte Männer zu lieben.«
    Ich sah sie an. Schicksal?
    Rachel lächelte wieder. Ich konnte mir dieses Grinsen bei dem kleinen Mädchen vorstellen, von dem Sol Weintraub in seinem Hyperionischen Canto gesprochen hatte. »Mach dir keine Sorgen, Raul. Ich weiß zufällig genau, dass

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