Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
Stunden durchgeführt. Ihr beschleunigter Auferstehungszyklus müsste fast beendet sein, der Angriff in wenigen Augenblicken beginnen. Wir können nicht rechtzeitig eine Drohne ausrüsten und sie zurückrufen.«
    Ich stelle fest, dass meine Hand zittert. Ich gebe Kardinal Lourdusamy die Nachricht zurück. »Rufen Sie Marusyn und die anderen Flottenkommandeure«, sage ich. »Sagen Sie ihnen, dass sie jedes verbliebene Kampfschiff ins Pacem-System zurückbeordern sollen. Sofort.«
    »Aber Euer Heiligkeit«, sagt Lourdusamy mit drängender Stimme, »im Augenblick werden so viele wichtige Einsätze durchgeführt...«
    »Sofort!«, sage ich scharf.
    Lourdusamy verbeugt sich. »Sofort, Euer Heiligkeit.«
    Als ich mich abwende, sind die Schmerzen in der Brust und meine Kurzatmigkeit wie Warnungen von Gott, dass die Zeit knapp ist.
    »Aenea! Der Papst...«
    »Ruhig, mein Liebster, ich bin hier.«
    »Ich war beim Papst... Lenar Hoyt... aber er ist nicht tot, oder?«
    »Du lernst auch die Sprache der Lebenden, Raul. Unglaublich, dass dein erster Kontakt mit den Erinnerungen eines lebenden Menschen ausgerechnet mit ihm stattfand. Ich glaube...«
    »Keine Zeit, Aenea! Keine Zeit. Sein Kardinal... Lourdusamy... hat ihm deine Nachricht gebracht. Der Papst hat versucht, die Flotte zurückzurufen, aber Lourdusamy sagte, es wäre zu spät... dass sie vor vierundzwanzig Stunden gesprungen wären und jeden Moment angreifen könnten. Das könnte hier sein, Aenea. Es könnte die Flotte sein, die sich bei Lacaille 9352 zusammengezogen hat...«
    »Nein!« Aeneas Schrei reißt mich aus der Kakophonie der Bilder, Erinnerungen und Überlagerungen von Sinneseindrücken, ohne sie völlig verschwinden zu lassen, aber sie treten in den Hintergrund wie laute Musik in einem angrenzenden Zimmer.
    Aenea hat eine Komlog-Einheit vom Regal genommen und ruft sowohl unser Schiff als auch Navson Hamnim zur selben Zeit.
    Ich versuche, mich auf meine Freundin und den Augenblick zu konzentrieren, und ziehe dabei meine Sachen an, aber wie bei jemandem, der aus einem wirklichkeitsnahen Traum erwacht, begleitet mich das Murmeln der Stimmen und anderen Erinnerungen immer noch.
    Pater Captain Federico de Soya kniet im Gebet in seiner Privatkabine auf dem Baumschiff Yggdrasill, aber de Soya betrachtet sich nicht mehr als  »Pater Captain«, nur noch als »Pater«. Und selbst was diesen Titel angeht, ist er unsicher, während er kniet und betet, betet, wie er in dieser Nacht seit Stunden gebetet hat, und noch mehr Stunden in den Tagen und Nächten, seit die Kruziform nach der Kommunion mit Aeneas Blut aus seiner Brust und seinem Körper entfernt wurde.
    Pater de Soya betet um Vergebung, deren er – das weiß er ohne jeden Zweifel – nicht würdig ist. Er bittet um Vergebung für seine Jahre als Flottenkommandant des Pax, seine vielen Schlachten, die Leben, die er auf dem Gewissen hat, die wunderbaren Werke Gottes und der Menschen, die er zerstört hat. Pater Federico de Soya kniet in einem Sechstel Schwerkraft in seiner stillen Kabine und bittet seinen Herrn und Erlöser... den barmherzigen Gott, an den zu glauben er gelernt hat und dessen Existenz er nun bezweifelt... ihm zu vergeben, nicht um seinetwillen, sondern damit seine Gedanken und Taten in den kommenden Monaten und Jahren oder Stunden, sollte sein Leben so kurz sein, dem Herrn besser dienen können...
    Ich ziehe mich mit dem plötzlichen Ekel vor diesem Kontakt zurück, den man empfindet, wenn man feststellt, dass man plötzlich zum Voyeur geworden ist. Mir wird unverzüglich klar, wenn Aenea diese »Sprache der Lebenden« seit Jahren kennt, ihr ganzes Leben lang, dass sie mit ziemlicher Sicherheit mehr Zeit darauf verwendet hat, sie zu unterdrücken – dieses ungewollte Eindringen in das Leben anderer Menschen –, als darauf, sie zu meistern.
    Aenea hat eine Öffnung in der Wand der Kapsel aufgetan und ist mit dem Komlog auf den organischen Balkon hinausgegangen. Ich schwebe hinaus zu ihr und schwebe im sanften Sog des auf ein Zehntel g eingestellten Sperrfelds auf den Balkonboden hinab. Mehrere Gesichter schweben über dem Diskey des Komlog – Het Masteen, Ket Rosteen und Navson Hamnim
    –, aber keiner schaut in die Kamera, ebenso wenig wie Aenea.
    Ich brauche einen Moment, bis ich aufschaue und sehe, was sie sieht.
    Gleißende Strahlen bohren sich zwischen wunderbaren Rosen aus orangegelben und roten Flammen durch den Sternenbaum. Einen Augenblick denke ich, dass es nur der Sonnenaufgang des

Weitere Kostenlose Bücher