Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Fatlinesendern. Nein, wird mir augenblicklich klar, es wird nicht sein wie zu Zeiten der Hegemonie. Es wird vollkommen anders sein. Etwas noch nie Dagewesenes in der menschlichen Erfahrung.
Aenea hat alles für immer verändert.
»Brechen Sie heute auf, Raul?«, fragt Pater Duré mit seinem weichen französischen Akzent.
»Sobald ich diesen köstlichen Kaffee getrunken habe.« Die Sonne wärmt mir die bloßen Unterarme und den Hals.
»Wohin gehen Sie?«, fragt Pater de Soya.
Ich setze zu einer Antwort an und halte inne. Ich stelle fest, dass ich keine Ahnung habe. Wo soll ich nach Aeneas Kind suchen? Was ist, wenn der Beobachter das Kind mit in ein fernes System genommen hat, das ich durch ‘casten nicht erreichen kann? Was ist, wenn sie zur Alten Erde gegangen sind... kann ich wirklich hundertsechzigtausend Lichtjahre freicasten? Aenea konnte es. Aber sie hat vielleicht die Hilfe der Löwen und Tiger und Bären gehabt. Werde ich eines Tages imstande sein, auch diese Stimmen im komplexen Chor der Leere zu hören? Alles kommt mir zu groß und vage und irrelevant vor.
»Ich weiß nicht, wohin ich gehe«, höre ich mich mit der Stimme eines Jungen sagen, der sich verlaufen hat. »Ich wollte zur Alten Erde, weil Aenea gewünscht hat, dass ich... ihre Asche... aber...« Verlegen, weil ich wieder meine Gefühlsaufwallung erkennen lasse, winke ich mit einer Hand zu dem Berg aus geschmolzenem Stein, der einmal das Castel Sant’ Angelo gewesen ist. »Vielleicht gehe ich nach Hyperion zurück«, sage ich. »Martin Silenus besuchen.« Bevor er stirbt, füge ich in Gedanken hinzu.
Wir stehen alle auf dem Felsen, trinken die letzten Tropfen kalten Kaffees aus den Tassen und wischen die letzten Krümel der köstlichen Brötchen ab. Plötzlich kommt mir ein Gedanke, der eigentlich auf der Hand liegt. »Möchte einer von Ihnen mit mir kommen?«, frage ich. »Oder anderswohin gehen, was das betrifft? Ich glaube, ich kann mich erinnern, wie man freicastet... und Aenea hat uns mitgenommen, indem sie uns einfach an den Händen gehalten hat. Nein, sie konnte einfach durch Willenskraft mit der gesamten Yggdrasill freicasten.«
»Wenn Sie nach Hyperion gehen«, sagt Pater de Soya, »möchte ich Sie vielleicht begleiten. Aber vorher muss ich Ihnen etwas zeigen. Entschuldigen Sie uns, Pater Duré. Bassin.«
Ich folge dem kleinen Priester zurück zum Dorf und in seine kleine Kirche. In der winzigen Sakristei, die kaum groß genug für den Holzschrank mit der Messkleidung und einen kleinen sekundären Altar ist, in dem Hostien und Wein aufbewahrt werden, zieht de Soya den Vorhang eines Alkovens zurück und holt einen kleinen Metallzylinder heraus, kleiner als eine Thermoskanne. Er hält ihn mir hin, ich strecke die Hände danach aus, und meine Finger sind nur Zentimeter davon entfernt, als ich plötzlich in der Bewegung erstarre und ihn nicht anfassen kann.
»Ja«, sagt der Priester. »Aeneas Asche. Was wir bergen konnten. Nicht viel, fürchte ich.«
Meine Finger zittern, ich kann den stumpfen Metallzylinder immer noch nicht nehmen. »Wie? Wann?«
»Vor dem letzten Angriff des Core«, sagt de Soya leise. »Als wir die Gefangenen befreit haben, hielten einige von uns es für angemessen, die verbrannten Überreste Ihrer jungen Freundin mitzunehmen. Es gab sogar welche, die sie finden und als heilige Reliquie behalten wollten... um einen weiteren Kult anzufangen.
Ich war überzeugt, dass Aenea das nicht gewollt hätte. Hatte ich Recht, Raul?«
»Ja«, sage ich, und nun zittern meine Hände deutlich sichtbar. Ich bin immer noch außerstande, den Zylinder zu berühren, und fast nicht in der Lage zu sprechen. »Ja, auf jeden Fall, unbedingt«, sage ich mit Nachdruck.
»Das hätte ihr überhaupt nicht gefallen. Sie hätte schon allein den Gedanken verflucht. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie oft sie über die Tragödie gesprochen hat, dass Buddhas Anhänger ihn wie einen Gott verehrt und seine Überreste als Reliquien betrachtet haben. Der Buddha hat auch darum gebeten, dass er eingeäschert und seine Asche verstreut wird, damit...« An dieser Stelle muss ich aufhören.
»Ja«, sagt de Soya. Er holt eine schwarze Leinentasche aus seinem Schrank und legt den Zylinder hinein. Er schultert die Tasche. »Wenn Sie möchten, kann ich das mitnehmen, falls wir gemeinsam reisen.«
»Danke«, ist alles, was ich herausbringe. Ich kann das Leben, die Energie, die Haut und die blitzenden Augen und den sauberen, weiblichen Duft von Aenea, ihre
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