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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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kenne, mache ich passende Mundbewegungen, als der Refrain wiederkehrt. Die Leute um mich herum tauschen erfreute, fast verschwörerische Blicke, als teilten sie alle ein riesiges Geheimnis. Vielleicht tun sie das auch. Ich denke:
Massenproduktion von Serotonin. Religion ist Opium fürs Volk
. Ich merke, wie ein breites, dämliches Lächeln auf meinem Gesicht erblüht. Akzeptanz: Akzeptiere, und du wirst akzeptiert werden. Es nimmt mich gefangen. Ich kann nicht anders. Der Mann neben mir hat den Kopf in den Nacken geworfen. Während die anderen singen, hat er die Hände zum Gebet gefaltet und stößt ein beinahe ununterbrochenes Gebrabbel hervor, als experimentiere er |174| mit seiner Zunge. Mein Oberkörper giert nach Bewegung, die meinem Unterkörper versagt bleibt. Ich hebe die Arme, schwenke sie beim Singen und lese dabei den Text auf der großen Leinwand über dem Chor. Ein pawlowscher Reflex treibt mir die Tränen in die Augen. Ich kann nicht anders. Gemeinsames Singen ist wie guter Sex. Nach dem Höhepunkt ist man aufgedreht und erschöpft zugleich. Ich könnte ewig so weitermachen. Wir singen noch vier Lieder und enden mit »Steh auf, steh auf für Jesus«, dem einzigen, das ich kenne. Ich bin fast enttäuscht, als es vorbei ist und die Gemeinde Platz nimmt. Leonard Krall, gedrungen und energisch, beginnt auf und ab zu laufen.
    »Diese Treuekarten aus dem Supermarkt. Hand hoch, wer keine hat.« Gelächter brandet auf. »Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich denke meist gar nicht darüber nach, erst wenn es Zeit wird, den Rabatt einzulösen. Doch als die Kassiererin letztes Mal meine Karte durch das Gerät zog, habe ich angefangen, über das Wort Treue nachzudenken und über das Geschäft, das hier wirklich abläuft. Wer ist wem treu – und warum?« Er hält inne, und als das Publikum nickt, spricht er weiter über die »tiefere Bedeutung von Treue in unserer globalisierten Gesellschaft«. Welche Art von Treue wichtig sei: Treue zu einem Einzelhändler oder einer Fußballmannschaft oder unserem Stamm (er malt Anführungszeichen in die Luft) oder zu allen Kindern Gottes, ob sie nun unsere Sprache sprechen oder nicht, ob sie unseren Glauben teilen oder nicht. Ist es die Treue zu bestimmten christlichen Prinzipien? Er glaubt schon. Man kann Bethany in ihm erkennen, im oberen Teil des Gesichts, in den weit auseinanderstehenden Augen. Er hat Potenzial. Man könnte ihn attraktiv finden. »Krieg, Hunger, Krankheiten, Katastrophen. Die Ausbreitung des Atheismus, der Klimawandel, die Gewalt in Jerusalem und im Iran. Schaut doch hin. Die politische Welt wird geschüttelt, erschüttert werden.
Noch einmal will ich bewegen nicht allein die Erde, sondern auch den Himmel.
Hebräer 12, Vers 26.   Und Vers 27:
Auf dass da bleibe das Unbewegliche
. Wir werden bleiben. Ja, fest im Herrn. |175| Denn wir können nicht erschüttert werden. Andere schon.« Er hebt warnend die Stimme. »In unserer heutigen Welt herrscht eine Epidemie der falschen Religionen. Unsere Nation und unsere Hauptstadt müssen sich wieder Gott zuwenden, dem Gott von heute, dem Gott des Jetzt!« Er schreit. »Mögen wir von deiner Gnade durchtränkt werden, o Herr! Tränke uns, tränke uns mit deiner ewigen Liebe!« Dann wird er sanfter. »Ehre sei dir.«
    Die Frau neben mir stimmt begeistert zu und fällt ein in den Chor aus Gemurmel und Amen. »In mir ist kein Zweifel, dass böse Kräfte auf dem Planeten Erde am Werk sind. Dass der Teufel etwas vorbereitet. Nun, hier ist Gottes Botschaft: Die Anhänger Christi bereiten auch etwas vor!« Er stößt den Finger in die Luft, was weiteres Gemurmel und stakkatoartigen Beifall hervorruft. »Wir bereiten uns auf die Entrückung vor!« Die Menschen brechen in Jubel aus, und er schreitet wie ein Panther mit blitzenden Augen auf und ab. »Es gibt Zeichen. Ich sehe Zeichen, und ich spüre Zeichen. Zeichen, von denen die Bibel gesprochen hat. Was haben wir alle empfunden, als wir Christus vom Berg stürzen sahen? Hast du wirklich diese Stunde gewählt, Herr, am Beginn des 21.   Jahrhunderts, um uns zu entrücken und diesen Planeten mit Ezechiels Krieg heimzusuchen?« Er wartet nicht auf die Antwort, sondern stößt die Faust in die Luft. »Es steht geschrieben, ihr Menschen! Es steht geschrieben!
Siehe, der Herr macht das Land leer und wüst und wirft um, was darin ist, und zerstreut seine Einwohner. Darum frisst der Fluch das Land; denn sie verschulden’s, die darin wohnen. Darum verdorren die Einwohner des

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