Engel der Finsternis (German Edition)
wünschten sie sich, Franzi in ihre Gewalt zu bekommen. Ihre Rechtschaffenheit und Selbstlosigkeit war ihnen unerträglich. Die Gewissheit, dass dieses Mädchen von Gott mit Freuden ins Paradies aufgenommen werden würde, während sie alle auf ewig verdammt waren, erfüllte sie mit grenzenlosem Hass. Nichts war ihnen wichtiger, als Franzi fallen zu sehen. Agreas sah es voller Genugtuung und Freude.
„Sie gehört uns! Wir dürfen mit ihr machen, was wir wollen. Du hast es geschworen in Luzifers Namen!“
Agreas brauchte von den Weibern nicht daran erinnert werden. Er wusste selbst, was er ihnen versprochen hatte und fletschte fauchend die Zähne. „Ja, Franziska gehört euch.“
„Was soll mit ihr geschehen?“ Hieronymus konnte seine Verachtung für den Grafen kaum unterdrücken, als er in der großen Halle vor ihm stand und auf eine Antwort wartete. Der Burgkaplan hatte gleich nach der Geburt des Jungen von dem Vorfall in Konrads Gemach erfahren. Er war kaum davon abzuhalten gewesen, den Grafen in aller Öffentlichkeit zu verfluchen. Keiner wusste, um was er Gott und die Heiligen gebeten hatte, während er alleine vor dem Altar kniete und unverständliches Zeug murmelte. Aber seine ohnehin finstere Miene wirkte seit dem Tod Katharinas noch unheimlicher und bedrohlicher und ließ jeden verstummen und ängstlich zurückweichen, der ihm begegnete.
Trotz seiner fast fünfzig Jahre hatte der Kaplan nichts von seiner Stärke und Entschlossenheit eingebüßt. Hieronymus fühlte sich geschützt durch das Kreuz, das er trug. Tag und Nacht hing es an einem langen Lederriemen vor seiner Brust. Im Querbalken waren Kerben eingeritzt. Jede stand für einen getöteten Dämon. Der Kaplan hatte seit seinem ersten Tag auf Burg Waldenfels den Heerscharen des Bösen den Kampf angesagt. Und anders als sein Vorgänger, der unter äußerst mysteriösen Umständen spurlos verschwunden war, hatte sich Hieronymus fest vorgenommen, diesen Krieg zu gewinnen. Koste es, was es wolle.
„Und wie?“, fragte Konrad entgeistert. „Wie stellst du dir das vor? Drei Tage? Warum drei Tage?“ Der Graf stürzte einen Becher Bier hinab und warf dem Kaplan einen zornigen Blick zu. Doch der sah ihn nur regungslos mit einem Gesichtsausdruck an, als wolle er ihm ins Gesicht spucken und erklärte mit kämpferischer Stimme, es sei unbedingt nötig.
„Es geht um das Seelenheil eurer verstorbenen Gemahlin, Herr!“, antwortete Hieronymus ausweichend. Er hatte nicht vor, Konrad in seine Pläne einzuweihen. Der Graf würde ohnehin nicht glauben, was er sagte und womöglich alles verderben durch seine Schwatzhaftigkeit. Aber Hieronymus erinnerte sich sehr wohl an das Schicksal der Nonne aus dem Kloster Buchau. Sie war auf dieselbe Weise gestorben wie Katharina. Das war kein Zufall. „Die Zwölften stehen bevor. Heute ist der Tag der Wintersonnenwende. Wie ihr wisst, beginnt nun jene Zeit des Jahres, in der die Mächte der Finsternis ihre Hand nach den Seelen der Lebenden ausstrecken. Eure Gemahlin ist in großer Gefahr. Wir müssen für sie beten und die Heiligen um Beistand bitten, damit sie Katharinas unsterbliche Seele sicher ins Jenseits geleiten.“
„Das können wir doch auch, wenn sie unter der Erde ist.“ Dem Graf missfiel offensichtlich die Vorstellung, den toten Körper seiner Frau drei Tage vor Augen haben zu müssen.
„Nein!“, erwiderte Hieronymus mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. „Wir müssen sicher sein, dass ihre Seele gerettet ist. Erst wenn ihr Körper auch nach drei Tagen noch friedlich ruht, wissen wir, sie ist in Sicherheit.“
Konrad machte eine Handbewegung, als wollte er eine lästige Fliege verscheuchen. „Tu was du willst!“
Balam hatte der Unterhaltung beigewohnt und sah voller Hass dem Kaplan hinterher, der gerade den Saal verließ. Dieser alte Mann war trotz seiner Dummheit ein gefährlicher Gegner. Am liebsten hätte Balam laut gelacht über dessen Glauben an untote Körper, die plötzlich wieder zum Leben erwachen und blutsaugend und Menschenfleisch fressend herumirren. Aber bei allem Aberglauben wusste der Kaplan einfach zu viel. Er hatte zwar keine Ahnung, was mit der Gräfin geschehen war, aber offensichtlich spürte er, dass etwas nicht stimmte.
Balam würde ihn nur allzu gerne auf der Stelle töten, aber Agreas hatte andere Pläne mit ihm. Er hatte den Engeln ausdrücklich verboten, sich dem Kaplan zu nähern. Also ließ Balam den alten Mann gehen und begab sich wieder nach oben in die
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