Engel der Finsternis (German Edition)
kümmerte sich nicht um den Mann. Er stand vor ihm, ohne dass dieser ihn sehen oder hören konnte. Es wäre ein leichtes für den Dämon gewesen, den Soldaten zu töten. Doch er war nicht gekommen, um Walburga zu befreien. Er wollte nur mit ihr reden. Noch immer suchten die Dämonen unter Führung von Harut ohne jeden Erfolg nach Meresin und Franzi. Agreas musste etwas unternehmen, wenn er verhindern wollte, dass die beiden entkamen.
„Und was?“, fragte Walburga. Agreas` Erscheinen gab ihr endlich wieder Hoffnung. Er hatte als majestätischer Engel den Kerker betreten und erfüllte nun das finstere, stinkende Loch mit einem himmlischen Glanz, der von seinem Körper ausging. Es war ein wundervolles, bläulich schimmerndes Licht, das sich wie ein kostbarer Mantel aus Samt und Edelsteinen um Walburga legte und sie von innen heraus wärmte. Die Kälte war verschwunden, die Magenkrämpfe und der Hunger vergessen, die Übelkeit verflogen. Walburga fühlte sich wie im Paradies. Sie sah nur noch den Engel und das herrliche Licht. „Was soll ich tun?“ Sie war zu allem bereit.
„Du weißt, warum man dich in an diesen Ort gebracht hat. Sie sind dir auf die Schliche gekommen. Es war ein Fehler, das Wilde Heer von Grimberts Haus fern zu halten. Du musst den Weibern sagen, sie sollen Grimbert und Heidrun heimsuchen. Nur so kannst du den Verdacht von dir ablenken. Alle werden Franzi die Schuld geben.“
„Ich soll meine Mutter dem Wilden Heer ausliefern?“
„Hat sie dir etwa geholfen? Hat sie etwas unternommen, um dich zu retten? Oder hat sie dich auch nur ein Mal besucht, seit du eingesperrt bist?“
Walburga schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht, was Heidrun dem Grafen einige Tage zuvor erzählt hatte. Niemand redete mit ihr. Auch Jakobus hatte ihr nichts davon gesagt. Agreas bestätigte im Grunde nur das, woran sie selbst schon gedacht hatte. Deswegen fielen seine Worte bei ihr auf fruchtbaren Boden. Grimbert bedeutete ihr ohnehin nichts und ihre Mutter hatte es nicht besser verdient. Sie hatte Walburga im Stich gelassen. Deswegen war es nur gerecht, wenn sie nun leiden musste. Und zwar genauso wie sie in diesem Loch leiden musste. „Aber ich will, dass sie wirklich leiden müssen. Und ich will es sehen! Ich will dabei sein, wenn sie gequält werden. Nimm mich mit!“
Agreas schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Aber der Graf wird dich freilassen, sobald deine Unschuld bewiesen ist. Darauf hast du mein Wort.“
Walburga stöhnte. „Ich bitte dich! Ich tue alles, was du willst. Nimm mich mit, ich halte es hier nicht mehr aus!“
Agreas schüttelte mit einer kurzen, ruckartigen Bewegung Walburgas Hand ab, mit der sie seinen Ärmel gepackt hatte. Er wischte angewidert über die Stelle seines Hemdes, auf der ihre kotbefleckten Finger gelegen hatten. „Das geht nicht.“ Seine Stimme klang mitleidlos. „Aber ich werde den Weibern befehlen, sie sollen ins Dorf fliegen und Grimberts Haus verwüsten. Dann wirst du bald wieder auf freiem Fuß sein.“
Franzis Vater ahnte nicht das Geringste. Er glaubte, es könne nicht schlimmer kommen. Seit der Graf ins Dorf gekommen war, wurden er und Heidrun von den anderen Dörflern nicht nur ausgegrenzt und gemieden, sondern tagein tagaus gegängelt und schikaniert, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bot. Der Dorfschulze hatte zusammen mit dem Büttel heimlich einige Männer damit beauftragt, Grimbert und Heidrun zu überwachen. Der Schulze selbst wurde von Kindern ständig darüber informiert, was in Grimberts Haus vor sich ging und wo er oder Heidrun sich gerade aufhielten. Die beiden konnten keinen Schritt tun, ohne sich beobachtet und verfolgt zu fühlen. Und als ob das nicht schon schlimm genug gewesen wäre, hatte der Schulze die anderen Bauern angewiesen, die Familie aus dem Dorf zu vertreiben. Er wollte sie nicht mehr um sich haben. Auch aus Angst vor dem Grafen, der ihn persönlich verantwortlich machte für alles, was die beiden sagten oder taten. Also ließ er zu, dass die Kinder schon am frühen Morgen Heidrun am Brunnen mit Hundedreck und toten Ratten bewarfen und sie aufs Schändlichste beleidigten.
Sogar in der kleinen Dorfkirche bekamen sie den Hass der Dörfler zu spüren. Wo auch immer sie sich niederknieten, standen die Bauern auf. Jakobus schwieg dazu. Sein erfolgloser Besuch bei Walburga hatte die Abneigung gegen Heidrun nur noch verstärkt. Obwohl er wegen seines Hasses auf Heidrun und ihre Tochter manchmal in arge Gewissensnot geriet, konnte er
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