Engel der Finsternis (German Edition)
sich nicht dazu durchringen, sie so zu bemitleiden wie Grimbert. Dem versuchte er beizustehen, so gut er konnte. Aber der Schulze erinnerte den Pfarrer nur an die Worte des Grafen, als Jakobus ein Wort für Grimbert bei ihm einlegte. Der Graf hatte von Grimbert und Heidrun gesprochen und nicht nur von Heidrun. Hilflos musste Jakobus mitansehen, wie Franzis Vater den Glauben an die Unschuld seiner Tochter verlor.
„Sie ist ein gutes Mädchen, Grimbert“, sagte Jakobus, als er mit Grimbert in den Wald ging, um Feuerholz zu schlagen. „Du weißt, dass die Vorwürfe, die gegen sie erhoben werden, nichts als Lügen sind. Franzi würde …“
„Franzi ist tot“, entgegnete Grimbert mit finsterer Miene.
„Wie kannst du nur so etwas sagen?“
„Entweder hat der Dämon sie getötet oder sie war schon tot, als er sie geholt hat.“
Jakobus war fassungslos, als er diese Worte aus dem Munde von Franzis Vater hörte. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass sie ihre Seele an den Teufel verkauft hat. Grimbert, lass dir doch nicht solche Sachen einreden! Deine Frau …“
„Meine Frau sagt nur, was die anderen auch denken. Und jetzt verschwinde und lass mich in Ruhe, ich habe zu arbeiten!“
Die Weiber des Wilden Heeres beobachteten, wie sich der Pfarrer entfernte. Dann gaben sie sich zu erkennen. Sie machten sich nicht die Mühe, sich unsichtbar an Grimbert heranzupirschen und ihn irgendwie zu erschrecken oder zu überfallen. Sie nahmen schon in mehreren Metern Entfernung zu ihm Gestalt an und wirbelten laut kreischend und johlend durch die Luft.
Grimbert zeigte im ersten Moment keinerlei Angst und wirkte noch nicht einmal überrascht. Man hätte fast meinen können, er hätte schon längst mit so etwas gerechnet. Doch dem war nicht so. Grimbert war nur so tief in Gedanken versunken gewesen, dass es eine gewisse Zeit brauchte, bis ihm bewusst wurde, was da zwischen den Bäumen auf ihn zukam. Er riss Augen und Mund auf, stand einen kurzen Augenblick wie versteinert da und tat dann etwas, womit die Weiber nicht rechneten. Er setzte sich mit aller Kraft und schier übermenschlichem Mut zur Wehr.
Selbst als ihn der Besenstiel der Nonne mitten im Gesicht traf und er mit blutender Nase und tränenden Augen kurzzeitig abgelenkt war, schlug er wie wild nach den Weibern, die ihn fauchend umkreisten und von allen Seiten gleichzeitig attackierten. Er rammte der Köhlerin den Axtstiel in den Magen und schlug der Gräfin mit der Faust ins Gesicht. Vor allem auf Katharina hatte er es abgesehen. „Komm her, du Mistvieh! Kämpfe! Was ist? Traust du dich nicht? Bist du zu feige?“ Als sie ihn an den Haaren riss und sich mit ihren messerscharfen Fingernägeln in seinem Gesicht festkrallte, spuckte er sie an und beschimpfte sie weiter. „Ist das alles?“ Er warf sie zu Boden und versetzte ihr einen Tritt gegen die Brust. „Der ist für Franzi! Was hast du mit ihr gemacht? Rede!“ Katharina versuchte Grimberts Wut zu entkommen, doch er war nicht mehr zu halten. „Na los, ihr Bestien! Bringt mich um! Worauf wartet ihr?“
Die Tochter der Hebamme sprang auf seinen Rücken und wollte ihre Zähne in seine Schulter schlagen, doch Grimbert machte einen Satz rückwärts und zwängte sie zwischen seinem Körper und dem Stamm einer Tanne ein. Laut schreiend versuchte sie sich zu befreien. Aber je mehr sie sich wehrte, desto stärker presste sich Grimbert gegen den Baum. Dann sauste ein Stein durch die Luft. Er traf Grimbert an der Stirn. Taumelnd stolperte er vorwärts, über einen Ast hinweg, ging zu Boden und verlor das Bewusstsein.
Als er wieder zu sich kam, hatte er jedes Zeitgefühl verloren. Grimbert erhob sich, wischte sich das Blut aus dem Gesicht und vergewisserte sich, dass nichts gebrochen war. Er hatte ziemlich viel einstecken müssen. Alles tat ihm weh - Kopf, Schultern, Rücken, Schenkel. Kein Teil seines Körpers war verschont worden. Aber er lebte. Einen Moment hatte er gedacht, er wäre vielleicht schon tot und stolperte nur wie die Weiber als Untoter durch die Welt der Lebenden. Aber dem war nicht so. Das Geschrei von Heidrun überzeugte ihn, dass er sehr wohl noch lebte und sein Leiden noch nicht zu Ende war.
Auch Heidrun hatten die Weiber angegriffen. Anders als bei Grimbert hatten sie bei ihr leichtes Spiel gehabt. Weil es heller Tag gewesen war, hatten sie sich nicht gezeigt, sondern waren unsichtbar geblieben und hatten so ihren Schabernack mit ihr getrieben. Sie rissen ihr büschelweise die Haare aus,
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