Engel der Schatten - 01 - Astrid Martini
beherrschen, um seiner grenzenlosen Erleichterung nicht freien Lauf zu lassen.
Er war froh, sich verabschieden zu können, heuchelte allerdings Besorgnis und Enttäuschung. „Dein Wohlbefinden steht an erster Stelle, deshalb werde ich deinem Wunsch selbstverständlich nachkommen – auch wenn es mir unsagbar schwer fällt. Schlaf schön, mein Liebes. Ich werde an dich denken.“
„Und du bist wirklich nicht böse?“
„Um Himmels Willen, nein. Das wäre ja noch schöner. Wichtig ist, dass du wieder
zu Kräften kommst. Mach dir um mich mal keine Gedanken. Ich werde mich bei dir melden.“
„In den nächsten Tagen werde ich viel zu tun haben und bin wahrscheinlich auch
nicht in Stimmung für sinnlich gemütliche Stunden. Versteh mich nicht falsch, aber …“
Nicholas zog überrascht eine Augenbraue hoch.
Soll das etwa bedeuten, dass sie mich in den nächsten Tagen nicht sehen will?
Er zwang sich zu einem charmanten Lächeln und legte ihr sanft seine Hand unter ihr Kinn. „Zerbrich dir darüber bitte nicht deinen hübschen Kopf. Ich werde dich in den nächsten Tagen in Ruhe lassen und mich nach angemessener Zeit wieder bei dir melden. Ist das okay?“
Sie nickte dankbar.
Nicholas gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann ging er.
Dabei konnte er nicht verhindern, dass er sich – trotz anfänglicher Erleichterung – darüber zu ärgern begann, dass sie ihn fort geschickt hatte.
Dass eine Frau ihn bat, dass er ging, war ihm noch nie passiert, und es würde wohl einige Zeit dauern, bis er mit dieser neuen Erfahrung klarkommen würde.
***
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Astrid Martini
Engel der Schatten
In den folgenden vier Wochen zeigte er sich ihr nicht. Er beschloss allerdings, nicht ins Schattenreich zurückzukehren, sondern war – für Cecile unsichtbar – immer in ihrer Nähe. Bei ihren Gesprächen mit Agnes, bei der Beisetzung von Sam Bochon – ja eigentlich bei allem, was sie tat.
Er war ihr ständiger, unsichtbarer Begleiter. Wenn sie abends auf ihrer Couch saß und fernsah oder ein Buch las, bei ihren Einkäufen und wenn sie schlief. Natürlich dachte er im Traum nicht daran, sich fern zu halten, wenn sie sich auskleidete und unter die Dusche schlüpfte. Warum auch? Schließlich kannte er längst jeden Winkel ihres Körpers.
Er saugte jede Facette ihrer Persönlichkeit und ihres täglichen Daseins in sich auf und merkte nicht, dass er dabei war, eine Faszination für sie zu entwickeln, die über sein eigentliches Ansinnen hinausging.
Als er schließlich spürte, das Cecile sich wieder den schönen Dingen des Lebens zu öffnen begann und sich immer mehr nach ihm und seinen Berührungen sehnte, beschloss er, noch ein paar Tage verstreichen zu lassen, um ihr Verlangen noch ein
wenig anzustacheln.
Und dann tauchte er wieder bei ihr auf.
Charmant buhlend und verführerisch lockend.
Es folgten Tage, die dort ansetzten, wo sie aufgehört hatten.
Sinnlich, hemmungslos und voller Hingabe.
Dass sich Nicholas Beweggründe langsam aber sicher zu verändern begannen, spürte er nicht. Noch nicht!
***
Es klingelte. Aufgeregt lief Cecile zur Tür und warf sich Nicholas mit einem Jubelschrei in die Arme.
„Ich habe dich vermisst. Schön, dass du da bist.“
Er lachte. „Es sind doch erst 24 Stunden her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Solltest du etwa süchtig nach mir sein?“
„Als ob du das nicht längst wüsstest!“
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Engel der Schatten
„So, so. Und wie können wir deine Sucht befriedigen?“
„Indem du mich ganz fest in deinen Armen hältst und mich nie wieder loslässt.“
„Für ein paar Stunden kann ich dir das versprechen. Aber dann … du weißt ja …“
„Gar nichts weiß ich. Du kommst und gehst, wie es dir gerade passt und ich …“, weiter kam sie nicht, denn Nicholas legte ihr seinen Zeigefinger auf die Lippen, blickte ihr tief in die Augen und schüttelte den Kopf.
Der Ausdruck seiner Augen war unergründlich … hypnotisierend … lähmend und führte dazu, das Cecile alles um sich herum vergaß und nur noch den Rausch des Augenblicks in sich spürte.
Nicholas zog sie nah an sich und ihre Lippen versanken in einem süßen, sinnlichen, nicht enden wollenden Kuss. Einen Kuss, der Cecile die Realität vergessen ließ. Einen Kuss, der nach Fortsetzung schrie.
Nicholas geschickte Hände schienen wie elektrisch geladen zu sein. Schon bei der geringsten Berührung fühlte sich Cecile wie eine ekstatisch entzündete Flamme, die nach mehr gierte und zu einem
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