Engel der Verdammten (German Edition)
als ihn ein Schlag an der Schulter traf, der ihn gegen die Wand eines Containers schleuderte. Das Dröhnen des Blechs lief wie eine Welle durch seinen Körper und vereinte sich mit dem Schmerz in seiner Schulter, der ihn aufstöhnen ließ.
Tariq! Mit einem Schlagstock in der Hand, wie ihn die Polizei benutzte, stand er vor ihm. Schneller, als Felix reagieren konnte, holte er noch einmal aus.
Der zweite Schlag traf sein Knie und ließ ihn mit einem Schmerzensschrei zusammenbrechen.
Die Hand des Seemanns zog ihn hoch, doch nur, um ihm seine Faust ins Gesicht zu schlagen. Felix schmeckte Blut, als seine Lippe aufplatzte. Er fiel wieder auf die Knie und bekam einen Tritt in die Seite, der ihn wieder gegen den Container schleuderte.
»Was ist das für ein Kerl?«, erkundigte sich der Seemann, doch Tariq brummte nur: »Keine Ahnung. Ich hatte schon auf der Fahrt hierher das Gefühl, mir würde einer folgen.«
»Polizei?«, raunte der andere. Felix versuchte wieder auf die Beine zu kommen, während ihm zwei grobe Hände die Jacke vom Leib rissen.
»Keine Polizei, nur ein Journalist«, hörte er die Stimme noch sagen. Dann traf ihn der Schlagstock an der Schläfe, und er brach bewusstlos zusammen.
Sabine schritt über den nächtlichen Friedhof. Er war ihr so vertraut. Sie schien jeden Weg und jede Abzweigung zu kennen, jedes Grab mit seinen Skulpturen, Grabsteinen und seinem über das Jahr wechselnden Blumenschmuck. Manche wurden häufig besucht, und man sah immer wieder Sträuße oder neue Blumen, andere ruhten unter Efeu oder Pachysandra bedeckt in einem immerwährenden Dämmerschlaf. Sie begegnete keinem Menschen, doch das störte sie nicht. Zielstrebig umrundete sie den Prökelmoorteich und näherte sich dem Grab ihres Vaters. Sie musste endlich Klarheit in ihre verworrenen Gedanken bringen und entscheiden, was sie tun sollte.
Da war jemand!
Sabine blieb stehen und lauschte. Sie hörte nichts, dennoch war sie sich sicher, nicht mehr allein zu sein. Sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Sabine schüttelte die Beklemmung ab, schloss die Augen und sandte ihre Sinne aus. Sie ahnte eine Gestalt zu ihrer Linken. Ein kalter Schauder erfasste sie, doch es war nicht das Gefühl, das Peter in ihr hervorrief.
Sie öffnete die Augen wieder und starrte auf die Stelle, wo sie den Beobachter vermutete. Bewegte sich da etwas? Ja, ein Schatten, ein Huschen, dann war es verschwunden. Ein Windhauch umwehte sie und verschwand im Nichts. Nun schienen die Augen sie von der anderen Seite aus zu beobachten. Angst erfasste sie. Tiefe, namenlose Furcht vor diesem Blick, der mitleidslos und ohne Gnade an ihr haftete.
Sabine begann zu laufen. Sie dachte nicht mehr darüber nach, ob das sinnvoll war oder nicht. Etwas anderes als ihre Vernunft hatte die Führung übernommen. Etwas Älteres, das nur den Instinkten gehorchte.
Die Jagd war eröffnet. Ein Laut stieg in die Nacht auf, der weder von einem Menschen noch von einem Tier zu stammen schien. Sabine rannte um ihr Leben. Der Schemen folgte ihr, huschte über die Gräber und tauchte durch das Gebüsch. Er schien keinerlei Mühe zu haben, auf gleicher Höhe zu bleiben, und Sabine war es, als könne sie die unbändige Freude spüren, die diese Jagd in ihm auslöste. Das Wesen war schnell, schneller als sie, und es schien kein Entrinnen zu geben, doch Sabine konnte und wollte nicht stehen bleiben. Sie würde sich nicht in ihr Schicksal ergeben. Sie würde laufen, bis ihre Kräfte sie im Stich ließen.
Wie lange würde sie durchhalten? Sie fühlte, wie ihr Atem zu rasseln begann. Ihr Herz schlug wild gegen die Brust. Ihr Gesicht war schweißnass, doch sie gab nicht auf. Vor ihr tauchte der hell erleuchtete Hauptweg auf. Dort musste noch jemand unterwegs sein. Dort würde sie Rettung finden.
Wovor? Vor einem Schatten, der sie hetzte?
Plötzlich bemerkte sie einen zweiten Schatten, der von rechts kam. Er flog geradewegs auf sie zu. Rote Augen brannten sich in ihre Seele. Eine vertraute Kälte hüllte sie ein, doch noch ehe ihr Verstand begriff, was vor sich ging, prallte sie hart gegen den Körper. Zwei Arme umfassten sie wie Eisenbänder. Ihre Beine knickten ein, doch jemand hielt sie fest, dass sie nicht fallen konnte.
Sabines Blick saugte sich an den roten Augen fest, die gefährlich funkelten.
»Peter«, keuchte sie, doch ehe Erleichterung sie durchfluten konnte, ließ seine eisige Stimme das Gefühl bereits in sich zusammenfallen.
»Was tust du hier?« Er schüttelte sie,
Weitere Kostenlose Bücher