Engel der Verdammten (German Edition)
Reißenbergers herstellen können. Die Zeit läuft uns davon. Sie haben schon viel zu viele Beweise beseitigt.«
»Lass den Dingen einfach ihren Lauf«, schlug der Vampir vor. »Hab Vertrauen in die Rechtsmedizin und in eure Technik. Ihr werdet die Fährte schon finden.«
Die Kommissarin schnaubte ein wenig abfällig. »Schön, dass du solch ein großes Vertrauen in die Kripo hast, aber auch bei uns arbeiten nur Menschen, und sie können lediglich die Spuren finden, die es gibt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand hier auf dem Friedhof seine Visitenkarte hinterlassen hat.«
Der Vampir verzichtete auf eine Antwort. Sie hatten ihr Ziel fast erreicht, und er zog sich wieder in die Schatten zurück, um als stummer Betrachter den Fortgang der Ermittlungen zu beobachten.
»Halt, wer da?«, durchbrach eine Männerstimme die Stille des Friedhofs. Der Schein einer Taschenlampe huschte auf und ab.
»Kriminalpolizei, Oberkommissarin Berner«, meldete sich Sabine und fischte ihren Ausweis und die Dienstmarke aus der Tasche. Der Lichtstrahl richtete sich auf ihren Ausweis und blendete ihr dann ins Gesicht. Ein wenig ärgerlich hob sie die Hand.
»Nehmen Sie die Lampe runter, Mann!«
»Entschuldigung, ich bin ein wenig nervös. Wissen Sie, ich habe die beiden Übeltäter auf frischer Tat ertappt. Vielleicht waren es ja die Mörder. Hermann Schieder mein Name«, stieß der Aufseher ein wenig atemlos hervor und leuchtete in die halb geöffnete Grube mit dem in einen Teppich gewickelten Körper. »Es ist eine Frau«, sagte er.
Sabine trat an die Grube und sah hinein. Sie konnte die Füße erkennen, die aus der Teppichrolle ragten.
»Haben Sie etwas angefasst?«, fragte sie den Aufseher streng.
»Ich hab nur das obere Ende des Teppichs auseinandergeklappt, um zu sehen, ob sie vielleicht noch lebt«, verteidigte er sich.
Sabine konnte die Abdrücke seiner Stiefel in der lockeren Erde sehen, die der Vampir weggeschaufelt hatte, und ihre eigene Spur daneben. Außerdem sah man ihre Abdrücke auf der anderen Seite des Grabes, wo sie die Blumen weggeräumt hatte. Das würde dem Hauptkommissar gar nicht gefallen! Doch wenigstens musste sie sich nur Nachlässigkeit im Umgang mit dem Tatort vorwerfen lassen und nicht erklären, wie ihre Spuren überhaupt hierhergekommen waren. Wie gut, dass sie nun vor den Kollegen hier war.
Sie erwog, zumindest ein paar der Spuren zu tilgen, was sie allerdings schlecht vor dem Aufseher machen konnte. Sollte sie ihn wegschicken? Immerhin konnte sie keinen einzigen Fußabdruck des Vampirs entdecken. Und wo war die Schaufel? Es wäre besser, wenn es keine Fingerabdrücke auf dem Stiel gäbe.
»Haben Sie noch eine stärkere Lampe? Das könnte mir bei der ersten Untersuchung hier helfen«, improvisierte die Kommissarin. Bereitwillig überließ ihr der Friedhofsaufseher seine Taschenlampe und eilte davon, um aus dem nächsten Gerätelager eine der großen Lampen zu holen, die die Totengräber aufstellten, wenn sie bei Dunkelheit ein Grab ausheben mussten.
Als der Rest ihrer Mordbereitschaft und die Gerichtsmedizinerin eintrafen, konnte Sabine sie mit gleichmütiger Miene begrüßen und ihnen in wenigen Sätzen zusammenfassen, was sie bereits in Erfahrung gebracht hatte.
Es war eine lange Nacht gewesen, und Sabine war erst nach drei heimgekommen. Dennoch war sie kurz nach neun schon wieder im Präsidium, wo sie auf dem Flur fast mit Thomas Ohlendorf zusammenstieß.
»Schon irgendwelche neuen Erkenntnisse?«, fragte sie ihn.
Er schüttelte ein wenig müde den Kopf. »Ist noch zu früh. Die Autopsie hat noch nicht einmal begonnen, und die Jungs von der Technik fangen gerade erst an, ihre Kleider und den Teppich zu untersuchen.«
Das war nicht anders zu erwarten gewesen, dennoch war Sabine alles andere als zufrieden mit der Antwort.
»Das heißt, wir wissen noch nicht, wer die Tote war«, meinte sie.
»Du kannst ja schon mal die Vermisstendatei durchgehen«, schlug der Hauptkommissar vor, und sie machte sich sogleich an die Arbeit. Als Sönke eine halbe Stunde später gähnend ins Büro geschlurft kam, war bereits klar, dass die junge Frau nicht als vermisst gemeldet worden war, obgleich sie bereits seit zwei Tagen tot war. Die Rechtsmedizinerin Dr. Renate Lichtenberg, die die Leiche vor Ort untersucht hatte und am späten Vormittag auch die Obduktion vornehmen würde, hatte den Todeszeitraum auf die Nacht vom ersten auf den zweiten September eingegrenzt, was bedeutete, dass sie noch nicht
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