Engel der Verdammten (German Edition)
als ich ins Bett ging.«
»Und dann haben Sie sie heute Morgen so gefunden?«
Sie nickte. »Ja, als ich die Zeitung hereinholen wollte.«
Sie schwiegen beide und sahen auf die Tote herab.
»Wollen Sie denn gar nichts tun?«, erkundigte sich Frau Fichtner dann mit schriller Stimme.
»Sie ist tot und die Ursache ist nicht natürlich«, gab die Kommissarin ruhig zurück. »Mehr muss ich im Augenblick nicht wissen. Erst muss ein Gerichtsmediziner die Leiche untersuchen.«
Da fiel ihr etwas ins Auge. Täuschte sie sich? Entgegen ihrer Aussage trat sie an den Kopf der Toten heran und ließ sich in die Hocke sinken. Was zum Teufel war das? Sie sah den tiefen und glatten Schnitt, der nur am Rand etwas ausgefranst war. Doch seitlich über der Wunde waren zwei Punkte zu sehen, die ihr sehr bekannt vorkamen.
Verdammt! Sie wusste keine Flüche, die deftig genug waren, um das auszudrücken, was sie empfand. Gestorben war die Frau sicher an der brutal durchschnittenen Kehle, doch davor hatten sich die Zähne eines Vampirs in ihren Hals gebohrt und ihr das Blut ausgesaugt. Sabine spürte etwas wie Schmerz. Der Vampir war heute Nacht hier bei der Toten gewesen, das hatte er ihr zu verstehen gegeben. Deshalb hatte er sie ja hierhergeschickt. Wann aber hatte er sie gebissen und ihr Blut getrunken? Ganz sicher nicht, nachdem ihr die Kehle durchgeschnitten worden war! Aber wenn er vorher hier gewesen war, wie konnte er dann von dem Mord wissen? Hatte er ihn gar beobachtet und war nicht eingeschritten?
Ein noch schlimmerer Verdacht drängte sich ihr auf, doch sie weigerte sich, den Gedanken weiterzudenken. Das Motorengeräusch vor der Hecke schreckte sie auf. Zwei Fahrzeuge hielten, Türen wurden geöffnet und wieder zugeschlagen. Sie erkannte die Stimmen von Hauptkommissar Ohlendorf und von Klaus Gerret – ach nein, Robert Gerret. Er hatte sie gebeten, ihn Robert zu nennen, weil er fand, sein zweiter Vorname würde ernsthafter klingen und besser zu einem Kommissar passen. Sabine begrüßte die Kollegen lächelnd. Die Rechtsmedizinerin war ebenfalls eingetroffen und reichte ihr die Hand.
»Na, dann lassen Sie mich mal sehen.« Dr. Lichtenberg trat näher und ließ den Blick über das Opfer schweifen. Sie zog sich ein paar Handschuhe an und ließ sich in die Hocke sinken.
»Es kommt mir so vor, als hätte ich das alles schon mehr als einmal gesehen.«
Sabine nickte. Das Lächeln war einer grimmigen Miene gewichen.
Dr. Lichtenberg besah sich die Wunde. »Sie ist nicht hier ermordet worden. Es ist kein Blut im Gras zu sehen.«
Sie schob das Nachthemd hoch und hob die Tote ein wenig an. »Den Totenflecken nach zu urteilen, ist sie nicht allzu lange nach ihrem Tod hierher gebracht worden.« Sie drückte erst schwach, dann immer kräftiger auf die lila verfärbten Flecken an Schenkel und Rücken. »Die Totenflecken sind noch recht leicht wegdrückbar. Außerdem ist die Totenstarre noch nicht vollständig eingetreten. Ich würde sagen, sie ist noch keine zehn Stunden tot.«
Sabine sah auf die Uhr. Jetzt war es kurz nach neun. Was hatte Peter von Borgo vor zehn Stunden getan? Sie war bei ihm in seiner Villa nur ein paar Minuten entfernt von hier gewesen, und er?
Nachdem die Rechtsmedizinerin die Temperatur der Toten gemessen hatte, grenzte sie den Todeszeitraum weiter ein: Zwischen zwei und vier Uhr nachts ist der Tod eingetreten.
»Nein, Herr Gerret, genauer kann ich es im Augenblick nicht sagen«, blockte sie die Frage des jüngeren Kollegen ab.
»Und, war es dieselbe Waffe?«, bohrte er stattdessen nach.
»Dieselbe Waffe in derselben Hand?«, ergänzte sie und schüttelte mit einer strafenden Miene den Kopf. »Sie wissen, dass ich Ihnen diese Frage nicht vor der Sektion beantworten kann. Wozu müssen wir sonst Autopsien durchführen?«
»Aber es sieht doch so aus«, quengelte Robert.
»Ja, es sieht so aus«, stimmte ihm die Ärztin zu, »aber zu mehr lasse ich mich hier vor Ort nicht verleiten.«
Kurz darauf zog sie das Nachthemd wieder über die Blöße der Toten und erhob sich. »Ich wäre fürs Erste fertig. Sie können sie mir nach Eppendorf bringen lassen. Wissen Sie denn dieses Mal, wer das Opfer ist?«
Die Kommissarin nickte. »Ihr Name war Fjodora Pawlowa. Sie stammte aus Weißrussland, sagt Frau Fichtner, und lebte hier als eine Art Haus- und Kindermädchen mit der Familie zusammen. Mehr weiß ich noch nicht.«
»Außer, dass das Zimmer der Toten wohl der Tatort war«, fügte Thomas Ohlendorf hinzu, der gerade
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