Engel der Verdammten (German Edition)
zurück in sein zerwühltes Bett.
Da sah sie es.
Sie unterdrückte ein Aufstöhnen. Möglichst unauffällig beugte sie sich vor und sah sich die Stelle an seinem Hals näher an. Kein Zweifel! Ja, sie konnte sich gut vorstellen, wie schwach und verwirrt er sich fühlte. Das war völlig normal, wenn einem ein Vampir eine größere Menge Blut geraubt hatte.
»Soll ich ihn mir näher ansehen?«, erkundigte sich Dr. Lichtenberg.
Sabine wehrte ab. »Ich denke, das können wir seinem Hausarzt überlassen. Ich schicke Robert nachher noch zu ihm rauf, doch ich fürchte, er wird nicht viel aus ihm rauskriegen. Sehen wir uns lieber den Tatort an.«
Fjodoras Zimmer war klein und mit alten Möbeln ausgestattet, aber – bis auf das blutige Bett – sehr sauber. In einem Schrank fanden sie einige altmodische Kleidungsstücke. Sie sahen aus, als stammten sie vom Wühltisch eines Kaufhauses.
Unterdessen untersuchte die Pathologin das Bett. Als Sabine sich vom Schrank abwandte, stand Dr. Lichtenberg mit in die Seite gestemmten Händen da und starrte zum Fenster.
»Was ist? Glauben Sie, unser Opfer wurde hier ermordet?«, erkundigte sich Sabine.
Sie musste die Frage wiederholen, so tief war die Ärztin in Gedanken versunken. »Was? Ach so, ja, ich bin mir sicher, dass sie hier in ihrem Bett überfallen wurde und auch hier gestorben ist, aber danach wird es seltsam.«
Die Kommissarin trat neben sie und versuchte, die Gedanken nachzuvollziehen, die Dr. Lichtenberg durcheinanderbrachten. Sie betrachtete das Bett und ließ dann den Blick erst zur Tür und dann zum Fenster wandern. Plötzlich wusste sie, was die Pathologin verwirrte.
»Wenn sie kurz nach ihrer Ermordung durch die Tür getragen worden wäre, müsste irgendwo Blut zu finden sein.«
Dr. Lichtenberg nickte mit grimmiger Miene. »Das ist richtig, doch es ist nichts zu sehen, weder hier auf dem Weg zur Tür noch draußen im Flur oder auf der Treppe.«
»Der Täter könnte es weggewischt haben. Das kann die Spurensicherung nachher feststellen.«
Dr. Lichtenberg hob die Schultern. »Ich glaube nicht, dass sie etwas finden werden. Es wäre auch absurd, nicht? Der Täter bringt sie hier um und hinterlässt eine Schweinerei, trägt sie dann nach draußen und wischt von der Tür bis zum Bett alles sauber? Warum? Und hätte ihn nicht jemand hören müssen? Frau Fichtner und Bent waren zu Hause.«
»Aber wie ist sie dann von hier in den Garten gekommen?«, sprach Sabine ihrer beider Frage aus. Mit unbehaglicher Miene ging sie zum Fenster und sah hinaus.
»Er kann sie nicht einfach dort hinuntergeworfen haben«, sagte die Rechtsmedizinerin. »Dann müsste ich irgendwelche Spuren eines solchen Sturzes an der Toten gefunden haben. Aber da ist nichts. Nicht einmal Grasflecken auf ihrem Nachthemd.«
Sie stiegen die Treppe hinunter und stellten sich unter das Fenster. Auch hier gab es auf dem Boden keinerlei Hinweise, dass ein Körper von dort oben mehrere Meter in die Tiefe gestürzt wäre.
»Es ist mir ein Rätsel«, sagte Dr. Lichtenberg und schüttelte den Kopf, dass ihr kastanienbrauner Pferdeschwanz hin- und herschwang. »Wie hat der Mörder das gemacht? Ich komme mir vor wie in einem Roman von Agatha Christie.«
»Dann sollten wir Miss Marple oder Hercule Poirot bitten, das Rätsel zu lösen«, gab die Kommissarin zurück, der es abwechselnd heiß und kalt wurde. Ihr fiel sehr wohl eine Möglichkeit ein, wie der Leichnam durch das Fenster in den Garten kommen konnte, ohne auf den Boden aufgeschlagen zu sein. Sie sah sich selbst in den Armen des Vampirs, der mehrere Meter tief in den Graben der Tiefgarage des Präsidiums hinuntersprang. So konnte es gewesen sein. So musste es gewesen sein. Sie verfluchte Peter in Gedanken. Hatte er die Frau am Abend gebissen und war dann später – nachdem er mit ihr einige Stunden in seinem Himmelbett verbracht hatte – hierher zurückgekehrt? Der Gedanke schmerzte, als würde sie erfahren, dass ihr Mann sie mit einer anderen betrüge. Warum nur?
Er war ein Vampir. Er folgte seinen Bedürfnissen, versuchte sie, sein Verhalten zu entschuldigen. Die Stunden mit ihr hatten seine Gier bloß angestachelt. Und dennoch tat es weh und kränkte sie.
Warum war er zurückgekehrt? Um Fjodora noch einmal zu beißen? Was war dann passiert? Hatte er sie tot in ihrem Zimmer gefunden und in den Garten gebracht, damit sie schnell gefunden werden konnte und nicht etwa wieder versucht werden würde, die Leiche heimlich zu entsorgen? Oder hatte sie
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