Engel der Verdammten (German Edition)
auch seine Ordnung habe. Sie hätten noch auf ihren Pass und ihre Papiere gewartet, die jeden Tag hätten eintreffen sollen. Somit hätten seine Mandanten in gutem Glauben gehandelt, und man könne ihnen keinerlei Vorwürfe machen.
Sabine seufzte. »Wenn sich ihr Alibi nicht erschüttern lässt, kann man ihnen nicht viel anhaben. Vielleicht eine Verwarnung, dass sie Yulia nicht rechtzeitig angemeldet haben, obwohl ich jede Wette eingehe, dass sie schon wesentlich länger bei den Reißenbergers war.«
»Ich halte nicht dagegen«, wehrte Sönke ab. »Das ist alles megafaul. Warum hat sie – bis auf das Kind – nie jemand gesehen? Wo kam sie her und wann?«
»Ja, und wo sind ihre Sachen geblieben? Wir haben im ganzen Haus nichts gefunden, was auch nur einen Hinweis darauf gegeben hätte, dass sie dort gewohnt hat.«
»Das habe ich sie auch gefragt, aber die Reißenbergers – oder besser gesagt ihr Anwalt – haben auch diesen Umstand zu ihren Gunsten gewendet. Ihr sei der Koffer gestohlen worden, und nun habe sie auf ein Paket mit persönlichen Dingen aus der Heimat gewartet! So lange hätten sie Yulia eben mit dem Nötigsten ausgeholfen«, fuhr Sönke fort.
»Ach, und warum haben sie dann nach ihrer Ermordung alles in den Müll geworfen und das Zimmer geschrubbt?«, konterte Sabine, die schon wieder merkte, wie ihr die Galle hochkam.
Sönke blätterte in seinem Protokoll. »Ach, irgendwas mit Schock. Warte, hier ist es: Sie standen so unter Schock, dass sie den gewaltsamen Tod ihrer Haushaltshilfe einfach verdrängt haben.«
»Aha, und daher jede Spur von Yulia tilgten, einschließlich ihrer Leiche.«
»So ähnlich, und ich gehe jede Wette ein, dass dein Ex noch einen Psychiater anschleppt, der dieses Phänomen in einem Wust unverständlicher Begriffe erklärt und ihr Verhalten damit rechtfertigt.«
Sabine nickte. »Ja, da kommen wir nicht weiter.« Sie kaute auf ihrer Lippe. »Habt ihr den Reißenberger auch gefragt, ob er die Leiche weggeschafft hat?«
»Ja. Nachdem er eine Weile rumgedruckst hat, hat er es zugegeben.«
»Allein?«
Sönke runzelte die Stirn. »Du meinst, seine Holde hat ihm dabei geholfen? Kann ich mir nicht so recht vorstellen.«
»Stimmt schon. Aber genauso wenig kann ich mir den Herrn Doktor vorstellen, wie er die Leiche in den Teppich rollt, in seinen Wagen packt und nach Ohlsdorf rausfährt, wo er das Paket, das ja sicher mindestens sechzig Kilo gewogen haben muss, durch die Nacht schleppt und es in diesem frischen Grab verscharrt.«
Sönke hob die Schultern. »Naja, hört sich nicht sehr wahrscheinlich an, doch unter Druck machen die Leute die seltsamsten Dinge.«
Sabine konnte das nicht abstreiten, dennoch kam ihr die Vorstellung irgendwie falsch vor. »Nein, ich denke, es hat ihm jemand geholfen. Ich sehe es vor mir, wie sie heimkommen, die Leiche finden und in Panik geraten. Und jemanden anrufen, der alles wieder in Ordnung bringen soll und der auch das Entsorgen der Leiche übernimmt.«
Sönke schloss die Augen. Nach einer Weile öffnete er sie wieder und nickte. »Schon möglich, doch es wird schwer, sie dazu zu bringen, das zuzugeben. Dafür wird dein Ex schon sorgen!«
»Vielleicht ist es ihnen ganz recht, die Verantwortung abzuschieben.«
Sönke überlegte. »Dann frage ich mich, warum sie das nicht schon längst getan haben. Wäre das nicht die natürliche Reaktion?«
Sabine nickte widerstrebend. »Ja, schon, aber diese Frage können wir erst beantworten, wenn wir den geheimnisvollen Helfer gefunden haben.«
»Na, dann sollten wir mal nachprüfen, wen die Reißenbergers in dieser Nacht angerufen haben.«
»Unbedingt!«, stimmte ihm die Kommissarin zu und griff nach ihrem Telefon, um die Daten anzufordern.
»Der Name ist Reißenberger, ja, Dr. Richard und Krimhild, Harvestehude, genau. Was? Ein Festanschluss und drei Mobiltelefone? Drei? Eines geschäftlich, gut, prüfen Sie alle. Ich brauche die Anrufe vom zweiten September, sagen wir, nach dreiundzwanzig Uhr.«
Sie legte auf.
»Ich bin gespannt!«, meinte ihr Kollege.
»Und ich hoffe, dass wir mehr als die Nummer eines Handys ohne Vertrag mit so einer Prepaidkarte vom Discounter bekommen.«
»Nun sei nicht so pessimistisch. Außerdem dürfen auch Prepaidkarten nur mit Angabe der Personalien verkauft werden.«
»Theoretisch. Dass man die Dinger aber auch unter falschem Namen bekommt, weißt du genauso gut wie ich«, seufzte die Kommissarin.
»Warten wir es ab«, meinte ihr Kollege und trank seinen Becher
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