Engel der Verdammten (German Edition)
leer.
Je näher der Abend rückte, desto mehr erfasste sie eine innere Unruhe. Das Bild des Vampirs drängte sich in ihre Gedanken. Es gab so viele Fragen, so viel zu klären. Und dann war da noch der wohlige Nachklang dieser unglaublichen Nacht, der so gar nicht zu ihrem Misstrauen passte. Sabine erwischte sich, wie sie sehnsüchtig einen Blick zum Fenster hinauswarf. Es hatte immer noch nicht begonnen zu dämmern.
Als es endlich so weit war, packte sie fast ein wenig hastig ihre Tasche und fuhr den Computer runter. Sönke hob fragend die Brauen.
»Eine wichtige Verabredung, von der du mir nichts erzählt hast?«
Sie spürte, wie sie rot wurde. »Aber nein. Das hätte ich dir doch nicht vorenthalten.« Sie sprang auf und eilte zur Tür.
»Also wenn wir bei einem Verhör wären, würde ich sagen, ich wurde soeben dreist belogen«, brummte Sönke, hob aber grüßend die Hand.
»Viel Spaß, bei was auch immer!«
»Danke«, murmelte sie und eilte hinaus.
Sie fuhr viel zu schnell! Zum Glück war recht viel Verkehr, sonst hätte sie vermutlich ernsthaft ihren Führerschein riskiert. Sabine ärgerte sich selbst über ihre Unvernunft, doch sie kam einfach nicht dagegen an. Etwas Starkes hatte in ihr die Kontrolle übernommen.
Sie erreichte den Baurs Park und parkte ihren Wagen. Sabine nahm sich nicht einmal die Zeit, ihn abzuschließen, sondern eilte auf das Tor zu. Trotz des bedeckten Himmels konnte sie spüren, dass die Sonne untergegangen war.
Wandelte sie sich etwa zum Vampir? Ihre Hand fuhr zu den beiden Wunden, die seine Zähne in ihren Hals geschlagen hatten. Es waren nicht die ersten. Kleine, vernarbte Punkte verteilten sich um die Wunde. Was ging hier vor sich? Hatte er sie belogen? Ihr die Wahl abgenommen? War es ein schleichender Prozess, der – einmal in Gang gekommen – nicht mehr aufzuhalten war?
Verwirrt schob sie das Tor auf und ging auf die Tür zu, die sich öffnete, als sie gerade die Hand nach der Klinke ausstreckte. Unvermittelt stand sie so dicht vor ihm, dass seine Aura sie einhüllte. Sabine starrte ihn an, unfähig, sich zu bewegen oder auch nur ein Wort zu sagen. Den Vampir dagegen konnte anscheinend nichts überraschen. Er verbeugte sich galant.
»Guten Abend, meine Liebe, ich hätte nicht gedacht, dich so schnell wiederzusehen. Ich hoffe, dir geht es gut?«
Er wich zurück und ließ sie eintreten, wobei sie nicht das Gefühl hatte, als würden ihre Beine ihr gehorchen. Dennoch wurde ihr Kopf langsam wieder klarer.
»Was hast du mit ihr gemacht?«, stieß Sabine hervor.
»Mit wem?«, erkundigte sich Peter von Borgo höflich.
»Fjodora, die Frau am Mühlenberg, zu der du mich geschickt hast.«
Der Vampir hob ein wenig die Brauen. »Gemacht? Nichts Besonderes, warum?«
Er führte sie in den Musiksalon und nötigte sie, auf dem Sofa Platz zu nehmen.
»Ach ja, für einen Vampir ist es ja nichts Besonderes, einen Menschen auszusaugen! Aber ihr danach die Kehle durchzuschneiden? Und warum hast du anschließend ihre Leiche in den Garten gelegt?«
Peter von Borgos rote Augen weiteten sich. »Ich muss zugeben, jetzt bin ich überrascht und ein wenig verwirrt. Wenn ich deine Aussage richtig deute, dann ist sie tot?«
Sabine nickte. Seine Überraschung wirkte echt. Hatte er wirklich nichts davon gewusst?
»Ich wollte, dass du dich mit ihr unterhältst. Ihre Geschichte hätte dich vielleicht interessiert. Und nun ist sie also tot. Ermordet, wie die anderen Frauen?«
Sabine nickte. »Du hast wirklich nichts damit zu tun?«, drängte sie. »Ich habe deinen Biss gesehen!«
Der Vampir hob die Schulter. »Natürlich habe ich von ihrem Blut gekostet, doch als ich sie verließ, war sie am Leben und nicht einmal sonderlich geschwächt.«
»Aber dem Jungen hast du ganz ordentlich zugesetzt! Er war heute Morgen sehr schwach und verwirrt.«
»Das war zu vermuten«, erwiderte der Vampir kalt. »Er kann von Glück sprechen, dass ich ihn am Leben ließ.«
Da war unterdrückter Zorn in seinen Augen.
»Was hat er dir getan?«, erkundigte sich die Kommissarin.
»Mir? Nichts! Was könnte mir so ein Jüngling anhaben? Nein, ich schätze es nur nicht, wenn Männer sich Frauen gegen ihren Willen aufdrängen.«
»Was?« Sabine schaltete sofort. »Er hat Fjodora vergewaltigt? Aber Dr. Lichtenstein hat keine Spuren einer Vergewaltigung gefunden. Nur Hämatome an ihren Handgelenken.« Sie hielt inne. »Du hast es verhindert, nicht wahr?«
»Ja, es war mir vergönnt, dem Hilferuf der Dame rechtzeitig
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