Engel der Verdammten (German Edition)
Auftrag haben sie gehandelt? Wer hat Interesse daran, ein Verbrechen zu vertuschen, und begeht dann im gleichen Zug ein zweites?«
Thomas Ohlendorf seufzte. »Du sagst es. Und dabei bleibt noch immer die Hauptfrage: Welcher Wahnsinnige läuft durch Hamburg und schneidet diesen armen Frauen die Kehle durch?«
Sabine überlegte. »Meinst du wirklich, es ist ein Wahnsinniger? Ein Psychopath, der einfach nur tötet?«
»Du meinst, wahllos tötet?« Der Hauptkommissar schüttelte den Kopf. »Nein, seine Opfer sucht er sich mit Bedacht. Sieh dir die Tote an. Wieder Osteuropa.«
»Und wieder eine Frau, die hier unter unwürdigen Bedingungen arbeiten musste«, ergänzte die Kommissarin.
»Nein, wenn ich wahnsinnig sagte, dann nur, weil jeder wahnsinnig sein muss, der so etwas tut.«
Dazu gab es nichts weiter zu sagen. Sie standen noch eine Weile stumm nebeneinander und starrten in den gepflegten Vorstadtgarten, der sich adrett in herbstlichen Farben präsentierte und dessen Heiterkeit so gar nicht zu dem passte, was in den Mauern dieses Hauses geschehen war.
»Entschuldigen Sie, ich bin hier fertig«, meldete sich Dr. Lichtenberg, die zu ihnen auf die Terrasse trat. »Wenn Sie nichts dagegen haben, lasse ich die Leiche jetzt nach Eppendorf bringen. Ich will sie mir sofort ansehen. Alles andere kann warten.«
Der Hauptkommissar nickte. »In Ordnung. Wir sind hier auch bald fertig.«
»Wenn du nichts dagegen hast, dann fahre ich gleich mit und bleibe bei der Sektion dabei.«
»Ist gut«, stimmte Thomas Ohlendorf zu. »Und wenn du fertig bist, geh doch bitte ins Krankenhaus rüber und sieh nach, ob man die Roderers bereits vernehmen kann, ja? Nimm Sönke mit.«
»Der wird sich freuen«, meinte Sabine, die seine Abneigung gegen Autopsien kannte, doch der Hauptkommissar zuckte nur mit den Schultern. »Das ist nun mal unser Job.«
»Und was werdet ihr machen?«
»Robert und Uwe sollen mir diesen Tariq herschaffen, und ich werde mich noch einmal mit deinem Exmann unterhalten. Vielleicht ist aus den Reißenbergers ja doch noch etwas rauszuholen.«
Sabine war froh, dass er nicht sie mit dieser Aufgabe betraute. Sie war so wütend auf Jens, dass sie sich nicht sicher war, wie professionell sie mit der Sache noch umgehen konnte. Dass er solche Leute noch schützte! Nein, sie würde ihm wahrscheinlich an den Hals gehen, wenn man sie nur in seine Nähe ließ, dachte sie grimmig.
Dr. Lichtenberg zog die unbekannte Tote aus und wusch sie. Dabei sprach sie in ihr Aufnahmegerät. Außer der durchgeschnittenen Kehle waren keine Anzeichen von Gewalt zu sehen. Keine Fesselspuren, keine Hämatome. Das Opfer war nicht vergewaltigt worden.
»Sie wurde von ihrem Angreifer überrascht. Wie bei den anderen Opfern haben wir keine Abwehrverletzungen gefunden, keine Haut unter ihren Nägeln, nichts.«
Frustriert sah die Rechtsmedizinerin zu Sabine. »Ich verstehe das nicht. Haben die Frauen alle so tief geschlafen, dass sie gar nichts bemerkt haben? Ging es so schnell, dass sie gar nicht um ihr Leben kämpften?«
»Betäubungsmittel?«, schlug Sönke aus dem Hintergrund vor. Er hatte sich so weit wie möglich zurückgezogen und hielt sich sein Taschentuch vor die Nase, obwohl die Leiche der jungen Frau noch gar nicht stank.
Dr. Lichtenberg wandte sich ihm zu. »Das kann erst das toxikologische Gutachten zeigen. Die anderen Frauen hatten jedenfalls nichts im Blut. Sie waren alle bei klarem Bewusstsein. Lediglich Ileana hatte ein wenig Alkohol im Blut, aber längst nicht so viel, um zu erklären, warum sie sich nicht gewehrt hat.«
Irgendetwas arbeitete in Sabines Unterbewusstsein, und obgleich sie den Gedanken noch nicht fassen konnte, wusste sie bereits, dass er ihr ganz und gar nicht gefiel. Sie konzentrierte sich wieder auf die schreckliche Halswunde, die das Leben der jungen Frau so brutal beendet hatte.
»Ein glatter, energischer Schnitt, der bis in den Halswirbel reicht«, wiederholte Dr. Lichtenberg. »Wie bei den anderen Opfern auch.«
»Nicht ganz«, sagte die Kommissarin langsam. »Waren bei den anderen nicht nur auf der linken Seite diese ausgefransten Stellen?«
Sie deutete auf die Ränder der Wunde. »Hier gibt es rechts und links eine solche Stelle.«
Die Rechtsmedizinerin betrachtete die Wunde genau, ehe sie antwortete. »Gut beobachtet. Und noch immer bin ich mir nicht sicher, was genau diese unsauberen Ränder verursacht hat. Ich dachte erst, das Messer habe eine Kerbe, aber ich habe Versuche mit unterschiedlichen
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