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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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zustimmend genickt hatte, gaben sie mir alle ihren Segen. Ich fühlte nichts dabei, aber wenigstens war meine Abneigung gegen sie verflogen. Ich liebte auch sie und sah sie als das, was sie waren, und fürchtete deshalb umso stärker für Nathan.
    ›Aber was hat Gregory denn nur vor?‹, flüsterte der Rebbe mehr zu sich selbst als an mich gewandt.
    ›Ich weiß es nicht‹, gab ich zu. ›Aber Nathan und er sind eineiige Zwillinge, nicht wahr? Und dein Enkel Gregory will der Messias sein, das stimmt doch auch? Er will die Welt verändern.‹
    Das bestürzte und erschreckte den alten Mann.
    Ich fragte: ›Wenn ich dich brauche um Nathans willen, um der Liebe Gottes zu allen Kreaturen willen, würdest du kommen?‹

    ›Ja‹, antwortete der Rabbi.
    Ich war schon drauf und dran, aus dem Zimmer zu gehen, aber dann entschloss ich mich aus ganz nahe liegenden Gründen, dass es besser war zu verschwinden, mich aufzulö-
    sen. Das machte ich ganz langsam, um sie richtig in Erstaunen zu versetzen, machte mich zuerst nur durchsichtig, hob mich in die Luft, breitete die Arme aus und löste mich dann endlich völlig auf. Ich glaube nicht, dass ihnen die winzigen Tröpfchen Wasserdampf auffielen, die in der Luft schwebten.
    Sie spürten wahrscheinlich nur die Kälte und dann den Hitze-stoß, die entstehen, wenn ein Geist verschwindet.
    Ich ließ sie in tiefem Ernst auf die Stelle starrend zurück, an der ich gestanden hatte. Ich hätte so gern die weinende Sarah getröstet, die ich in der Küche sitzen sah, aber dazu war jetzt weder die Zeit noch die Möglichkeit. Ich stieg höher und höher auf und sagte: ›Gregory!‹, wobei ich mich in die Richtung diri-gierte, wo der Gebieter der Gebeine wahrscheinlich war - zu seinem Tempel. Mit meinen Fähigkeiten als Geist nach Nathan zu suchen war unmöglich, denn ich hatte ihn noch nie gesehen, noch nie seinen Geruch gespürt oder seine Kleidung angefasst. Er hatte möglicherweise im ›Tempel vom Geiste Gottes‹ in einem der Zimmer geschlafen, als ich in der Nacht zuvor unsichtbar durch die Räume gehuscht war. Aber ich hatte mir keines der Gesichter näher angesehen, dazu waren es zu viele gewesen.
    Auf zu Gregory. Am gefährlichsten für Nathan war es in der Nähe seines Bruders, deshalb war mein Platz jetzt dort. Ein Gedanke tröstete mich. Was auch immer für Nathan vorgesehen war, es war vielleicht noch nicht durchgeführt worden.
    Andererseits waren die Leute im ›Tempel vom Geiste Gottes‹
    fieberhaft mit einem Projekt beschäftigt, das sich ›Der Jüngste Tag‹ nannte.«

    23

    »Eine riesige Menschenmenge drängte sich um den ›Tempel vom Geiste Gottes‹. Ich ließ mich unsichtbar in ihrer Mitte nieder, neben Kameras und Fernsehleuten, und erfuhr, dass Gregory Belkin um achtzehn Uhr oder schon eher erwartet wurde, er wolle ein Statement abgeben, da ihm inzwischen die Identität seiner Feinde und der Feinde des Tempels bekannt sei. Er habe vor, die Namen der Terroristen preiszugeben, und wolle die Durchführung ihres neuen zerstörerischen Planes verhindern. Die Menge breitete sich aus bis hin zur Fifth Avenue, die dadurch blockiert wurde, und viele der Tem-pelanhänger, im wahrsten Sinn des Wortes von der Presse verdrängt, standen betend im Park.
    Ich schwebte in die Höhe und von dort in das Gebäude, wo ich Gregory zusammen mit fünf Männern in einem großen Raum fand, der mit riesigen elektronischen Landkarten und zahlrei-chen Monitoren bestückt war; er hatte alle Hände voll zu tun, die letzten Instruktionen zu erteilen. Der Raum selbst war schalldicht, und ehe ich mich sichtbar machte, achtete ich darauf, dass ihn keine der Kameras überwachte. Aber alle Monitore zeigten Außenansichten, und an den Wänden des Raumes waren keine Mikrofone angebracht. Gregory hatte das Wort, als ich ankam: ›Es wird nichts passieren, bis zwei Stunden, nachdem ich offiziell für tot erklärt worden bin.‹ - Das traf mich wie ein elektrischer Schlag.
    Ich materialisierte mich in der vollen Pracht meiner babylonischen Tracht - blauer, goldbestickter Samt und langes Kopf-und Barthaar - und riss ihn von seinem Stuhl hoch.
    Die Männer stürzten sich auf mich, doch ich schleuderte sie zurück. Durch eine andere Tür stürmte ein Trupp schwer bewaffneter Soldaten in den Raum. Jemand feuerte ein Gewehr ab. Gregory brüllte: ›Nein!‹ Dieser kleine Kader erbarmungsloser Kämpfer kreiste mich ein und richtete seine mächtigen modernen Waffen auf mich, die Art, die dich in einem

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