Engel der Verdammten
zu bannen, sodass nur ein dünner Überzug entstand, ohne die kraftvolle Lebendigkeit, wie ich sie bisher gekannt hatte. Allerdings war Marduk vollkommen mit Gold überzogen. In den Straßen klangen die Geräusche eilender Füße. Als ich an den im Hintergrund stehenden Häusern emporblickte, die den Park umgaben, sah ich, dass sich dort auf den Dächern die Zuschauer drängten.
Plötzlich bahnte sich mein Vater gewaltsam den Weg nach vorn; er vertrat Enoch den Weg und sagte anklagend: ›Merkst du nicht, dass du uns kränkst mit deinem Tun?‹ Und dann nahm auch er den goldüberzogenen Marduk wahr. Enoch hob seinen Stab und schlug meinen Vater damit. Wut kochte in mir hoch, doch meine Brüder stellten sich schützend vor den Propheten, und Marduk nahm mich am Arm. ›Bleib hier bei mir‹, beschwor er mich flüsternd. ›Bin ich wieder ganz aus Gold?‹
Ich sagte rasch, dass er davon überzogen sei und dass die Schicht dicker werde, doch dass er nicht wie das bewegliche Götzenbild aussehe, als das ich ihn zuvor immer gekannt hatte. Er lächelte nur, und sich um und um drehend hob er den Kopf zu den Menschen dort auf den Dächern, die daraufhin zu schreien und zu kreischen begannen.
›Schweigt!‹, brüllte Enoch; sein Bart zitterte, und er stieß mit seinem Stab heftig auf die Pflastersteine. Du hättest ihn sehen sollen. Er war in seinem Element. Ich sage dir, Propheten sind mörderisch, eine wahrhaft mörderische Brut! ›Du, Marduk, Gott Babylons, du bist nur ein vom Tempel ausgesandter Schwindler!‹, röhrte er.
Marduk lachte leise. ›Nun, damit weist er uns einen Ausweg, Asrael, welche Erleichterung!‹
›Willst du, dass sie an dich glauben, mein Herr? Du brauchst dich nur in Nichts aufzulösen und dann erneut zu erscheinen!
Ich werde dich dabei unterstützen.‹
Er warf mir einen vernichtenden Blick zu.
›Ich weiß‹, beteuerte ich. ›Ich enttäusche dich. Du willst nicht der Gott sein.‹
›Wer zur Hölle wollte das schon, Asrael. Nein, das sollte ich nicht sagen. Ich sollte sagen, wer will schon dafür sein Leben aufgeben. Aber wir haben jetzt keine Zeit zu philosophieren.
Dein Prophet dort vorne ist drauf und dran, wie ein wütender Bulle zu brüllen.‹
Und genau so benahm sich Enoch. Er erhob seine machtvolle Stimme - obwohl man sich kaum vorstellen konnte, wie ein derartiger Donnerhall aus einem solchen Gerippe hervortönen konnte - und dröhnte:
›Babylon, deine Stunde hat geschlagen. Du wirst erniedrigt werden. Jetzt, in diesem Augenblick, ist der Gesalbte auf dem Weg hierher; es ist Kyros, der Perser, die Geißel, die unser Herr Jahwe gesandt hat, dich zu strafen für das, was du Seinem Auserwählten Volk angetan hast, und er wird uns zurück-führen in unser eigenes Land.‹
Gebrüll stieg von den Hebräern in der Menge auf, sie schrien, beteten, sangen und warfen sich auf die Knie, beugten sich vor dem Herrn der Heerscharen, und die Babylonier sahen das mit Erstaunen, einige lachten sogar. Und dann wiederholte Enoch seine Prophezeiung:
›Jahwe sendet uns den Retter in der Person des Kyros, damit diese Stadt verschont werde ... jawohl, du, Babylon, du selbst wirst aus der Hand des wahnwitzigen Nabonidus erlöst werden und in die deines Befreiers übergehen.‹
Einen Herzschlag lang herrschte Stille. Nur einen Herzschlag.
Und dann erhob sich das Gebrüll abermals, diesmal aus allen Kehlen - Hebräer, Babylonier, Griechen, Perser. Sie alle jubelten auf vor Freude. ›Ja, ja, der Gesalbte, Kyros, der Perser, er möge uns erlösen von diesem mit Wahnsinn geschlagenen König, der seine Stadt sich selbst überlässt.‹
Die Massen fielen vor Marduk nieder, sanken auf die Knie, reckten ihm die Arme entgegen und scheuten dann zurück ...
›Ganz recht, Schwindler, genieße den Augenblick!‹ schrie Enoch. ›Es ist Jahwes Wille, dass deine Stadt sich ohne Blutvergießen ergebe. Du aber bist nicht der wahre Gott. Du bist ein Hochstapler, und der Tempel ist leer - nur Standbilder gibt es dort. Standbilder, sage ich! Du und deine Priester, im Triumph werdet ihr uns ziehen sehen, und danken werdet ihr uns, da wir euch Babylon gerettet haben!‹
Ich war wirklich und wahrhaftig sprachlos, im Ernst. Ich konnte mir das einfach nicht erklären! Doch Marduk nickte nur mit dem Kopf und nahm die Unverschämtheiten des Propheten hin. Dann wandte er sich ab und reckte die Arme in die Höhe.
›Ich verlasse dich nun, Asrael, aber gib Acht und tue nichts, bis du meinen Rat gehört hast! Sei
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