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Engel der Vergessenen

Engel der Vergessenen

Titel: Engel der Vergessenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Urahne! Ich habe genug erreicht, um mit meinem Leben zufrieden zu sein. Mehr will ein Mensch ja nicht.«
    »Wenn Sie reden, Taikky, können Sie Steine aushöhlen.«
    »Ich appelliere an Ihre Vernunft, Dr. Haller.«
    »Mit meiner Vernunft hadere ich, seit ich hier bin. Jeden Morgen bläst in mir eine Trompete: Zum Appell! Haller, wozu bist du in Nongkai? Und was antworte ich darauf? ›Du hast 299 Kranke zu retten!‹ Und dann bin ich jeden Morgen froh, Taikky, daß es dieses Drecknest Nongkai gibt!«
    Taikky schielte zur Seite. Dort stand wieder, in einem Halbkreis, Hallers Schutztruppe. Zehn kräftige junge Männer.
    »Schade, Dr. Haller. Das war das letzte freundliche Gespräch zwischen uns. Heute abend war ich milde gestimmt. Sie haben Ihre letzte Chance vertan. Ab morgen wird man Sie jagen, wie den gefährlichsten menschenfressenden Tiger. Und keiner wird mehr fragen, warum! Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, Taikky.«
    Er watschelte davon und spuckte die Zigarette aus, die ihm zwischen den Lippen hing.
    Drei Tage lang rollten die Krankentransporte von Homalin nach Nongkai.
    Auf dem Flugplatz am Rande des Dschungels, in der weiten Niederung des Chindwin-River, landeten in Abständen von zwölf Stunden die Lastflugzeuge der birmesischen Luftwaffe. Die Aktion war generalstabsmäßig geplant und rollte mit militärischer Präzision ab. Major Donyan und seine Truppe hatten kaum Zeit zu verschnaufen. Mit ihren Lastwagen pendelten sie hin und her und luden die Kranken im Lepradorf ab.
    Dr. Karipuri hatte seine große Zeit. Unterstützt von den neuen Ärzten, verteilte er die Kranken in die Hütten, die Schwestern wurden zum großen Teil im Verwaltungsgebäude, zum geringeren im Hospital untergebracht. Probleme gab es kaum. Dank militärischer Logistik erwiesen sich Fragen, die vorher aufgetaucht waren, als unwesentlich. Die Flugzeuge brachten Betten, Klappliegen, Kartons mit zusammenlegbaren Nachtschränkchen, Spinde und Bettwäsche. Sogar drei große Zelte wurden ausgeladen, weil niemand hatte ahnen können, daß man in Nongkai bereits vierzig Hütten gebaut hatte. Die Glanzstücke aber waren ein kleiner fahrbarer Röntgenapparat und ein gebrauchtes, aber voll funktionstüchtiges Romulus-Narkosegerät.
    »Da kriegt ein Eskimo den Hitzschlag«, sagte Haller entgeistert, als mit dem zwölften Wagen am dritten Tag Major Donyan diese Kostbarkeiten auslud. »Hat man alle korrupten Beamten hingerichtet, oder was ist los?«
    »Von der Caritas und anderen wohltätigen Organisationen.« Donyan lachte. »Direkt dem Minister auf den Schreibtisch, ohne Umweg. Da hatte keine dritte Hand mehr eine Chance, etwas abzustauben.«
    »Armer Taikky. Ich werde ihm ein paar Blümchen pflücken.«
    »Er trägt es mit Würde. Ja, mit Begeisterung. Ein Phänomen, dieser Mann! Er läuft herum wie ein beschenktes Kind und freut sich, weil sich alle freuen. Es fragt sich bloß, ob diese erste Woge die einzige bleibt und die zweite Woge und alle nachfolgenden nicht doch wieder um sieben Ecken rollen müssen und längst versickert sind, ehe sie Nongkai erreicht haben.«
    »Major, ich werde mich darum kümmern!«
    Donyan sah Haller von der Seite an. »Sie schulden mir 10.000 Kyat, Dr. Haller.«
    »Ich weiß.«
    »Morgen fährt der letzte Wagen von hier weg. Kommen Sie mit?«
    »Nie, Donyan, nie! Nur liegend und steif in einer Kiste.«
    »Das können Sie haben«, sagte Donyan sarkastisch und ging zu seinen Soldaten.
    Die Unterbringung der Kranken machte keine Schwierigkeiten. Dr. Karipuri ließ die großen Zelte zwischen Hospital und Verwaltung aufbauen und ernannte sie zu seiner Klinik. Es waren doppelwandige Zelte, und sie reichten wirklich als Provisorium aus, bis man mit dem Neubau der festen Gebäude beginnen konnte.
    Chirurgische Fälle waren bei den Neuankömmlingen nicht dabei, aber Haller sah einige Kranke, die er früher oder später doch auf seinem Tisch wiedertreffen würde.
    Am Abend des vierten Tages war die Umladung beendet, die alten Nongkaier hatten die neuen besucht und ihnen von dem ›Engel‹ Dr. Haller berichtet. Sie stießen auf Mißtrauen. Dr. Karipuri hatte vier Tage lang nichts anderes getan, als sich seinen neuen Kranken vorzustellen. Mit den sechs Ärzten und neunzehn Schwestern hatte er sofort die Arbeit aufgenommen, hatte verbunden, gepudert, injiziert und Tabletten verteilt und versprochen, eine große Waschanlage zu bauen und alles für die Hygiene zu tun. Dr. Haller sahen die Kranken kaum. Er hatte mit seinen alten

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