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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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denn, Phil hat ihn erwischt. Vielleicht ist es auch nur der Wind. Wenn es weder der Wind noch der Upright Man ist, dann sieht es schlecht aus.
    War sie überhaupt sicher, dass es aus Phils Richtung kam? Wenn es nun aus Wards Richtung kam? War sie in der Nähe der Schlucht oder schon drin?
    Wo ist die Pistole, wo ist bloß die Scheißpistole?
    Jetzt sah sie vorn etwas, es war hell, aber kein Schnee. Als sie genauer hinschaute, erkannte sie es. Auf der anderen Seite des Flussbettes saß, in einen Mantel gehüllt und mit dem Rücken zur Felswand, eine alte Frau.
    Sie schaute mit weit aufgerissenen Augen zu Nina herüber. Auf Kopf und Schultern lag Schnee wie bei einer abseits vom Weg stehenden Statue auf einem alten, verwilderten Friedhof.
    Aus Gestalt und Lage der Frau schloss Nina, wo sie sich befand. Sie war am Ende einer Schlucht – der Schlucht – mit steilen Wänden, aber einem ziemlich flachen Becken.
    Sie schaute nochmals, um sich alles gut einzuprägen, und machte sich erneut auf die Suche nach der Pistole. Diesmal zwang sie sich, langsam vorzugehen, als handele es sich nur um einen Ohrring, den sie in Malibu verloren hätte, das Taxi würde erst in einer Viertelstunde kommen und die einzige Frage dieses Abends wäre, ob man sich eine Vorspeise und einen ersten Gang oder nur ein großes Glas Wein gönnen sollte.
    Da. Sie sah die Pistole im seichten Wasser liegen. Gott sei Dank.
    Nina huschte zum Fluss und fischte die Waffe heraus. Sie schüttelte sie und wechselte den Ladestreifen. Gebückt eilte sie zur anderen Seite und kauerte sich neben der Frau nieder. Sie sprach leise und bemühte sich, ruhig durchzuatmen.
    »Sind Sie Patrice Anders?«
    Die Frau sah sie nur weiter an. In ihren Wimpern hing Eis, und auch sonst machte sie den Eindruck, schon halb erfroren zu sein. Doch nun bewegte sie fast unmerklich den Kopf. War das ein zustimmendes Nicken?
    Nina rüttelte sie sanft an der Schulter. »Hören Sie mich?«
    »Ja«, antwortete die Frau plötzlich laut.
    »Pst. Ist sonst noch jemand hier? Ist er noch da?«
    »Er ist hier. Irgendwo.«
    »Wer? Tom Kozelek oder Henrickson?«
    »Er. Aber das ist nicht sein wirklicher Name.«
    »Doch, so heißt er tatsächlich.« Nina schaute in die Richtung, in die die Frau blickte. Sie sah nur das felsige Ufer des Wasserlaufs, das nach links hin flacher wurde.
    Dann hörte sie wieder das Stöhnen.
    »Bewegen Sie sich nicht«, sagte sie zu der Frau. Erst jetzt begriff sie, warum der Körper der Frau so seltsam verdreht aussah. Er hatte ihr die Hände auf den Rücken gebunden. Mit klammen Fingern versuchte sie den Knoten zu lösen. Es schien aussichtslos, weil der Strick gefroren war, doch am Ende schaffte sie es. Ganz langsam holte die Frau die Hände nach vorn, als ob sie fürchtete, die Arme könnten abbrechen.
    »Rühren Sie sich nicht vom Fleck«, mahnte sie die Frau. »Ich meine es ernst.«
    Geduckt glitt sie um das dichte Gebüsch herum und schlich an der Wand der Schlucht entlang. Um nichts in der Welt würde sie ihre Pistole erneut fallen lassen, auch wenn sie nur eine Hand zum Balancieren auf den nassen Felsen hatte. Sie hielt sich hin und wieder an Zweigen fest und zog sich daran weiter, kam so jedoch nur langsam vorwärts. Herabtropfendes eiskaltes Wasser ließ ihre Hände erstarren. Auf diese Weise schaffte sie kaum mehr als zwanzig Meter flussaufwärts.
    Ihre ganze Hoffnung ruhte nun auf Ward. Wenn er nur bald käme.
    Weiter flussaufwärts waren die Wände der Schlucht nicht viel höher als zwei Meter. Am Fuß sah sie eine Gestalt liegen.
    Es war Phil.
    Er lebte, hielt aber einen Schenkel krampfhaft mit beiden Händen fest, während sich der übrige Körper langsam hin und her wälzte. Obwohl ihm die Augen vor Schmerz hervortraten, bemühte er sich, keine Geräusche zu machen. Als er sie sah, stöhnte er dennoch auf.
    »Henrickson hat mich erwischt«, brachte er mit dünner Stimme hervor. »Hat mein Gewehr.« Mit einer Kopfbewegung wies er in die Richtung, aus der sie gekommen war.
    Nina schaute aber hinter ihn und suchte mit den Augen den Rand der Felswände ab. Dass Henrickson in die Richtung verschwunden war, die Phil angezeigt hatte, musste nichts heißen. Er konnte mittlerweile schon wieder oben auf seinem Posten sein.
    Oder sie könnte … Sie dachte einen Augenblick daran, an dem Polizisten vorbei weiter flussaufwärts zu gehen und die Felswand hochzuklettern. Dann hätte sie einen höheren Aussichtspunkt und brauchte nur zu warten, bis der Upright Man

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