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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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Schimmern eines fernen Sees oder der Anblick eines schlafenden Mädchens oder einer unheimlichen Straßenecke, eine unverstellte, schlichte Wahrheit.
    Der Tod ist real. Der Tod ändert den Lauf der Dinge. Alles andere ist nur Staffage, nur eine Botschaft von unserem Sponsor.
    Der Tod der alten Frau bedeutete etwas, vor allem da er wusste, dass der Sturz, an dessen Folgen sie letztlich starb, nicht ganz zufällig gewesen war. Sie hatte Hilfe auf der Treppe gebraucht, und er hatte noch deutlich ihr flehendes »Nein« in den Ohren, ehe sie fiel.
    Aber danach war alles in Ordnung, sie schrie nicht länger nachts oder beschmutzte sich oder rang nach Atem. Man hatte sie der Erde wiedergegeben, nun schlief sie sanft, und irgendwie musste sie gespürt haben, dass ihre Tochter nach ihrem Tod um sie geweint hatte.
    Doch so viel war klar, das Schlimmste musste nicht unbedingt am Ende kommen. Es musste auch nicht still und sinnlos sein. Wenn es nur jemanden gab, der sich darum kümmerte, brauchte das Ende gar nicht so schlimm zu sein.
    Warum also warten?
     
    Im Stadtzentrum angekommen, parkte er den Wagen. Ein Stück Wegs bis zu seinem Ziel ging er zu Fuß. Immer in Bewegung bleiben, das war das Beste. Diese Phase der Vorbereitung hatte ihre Tücken, und ein geringerer Mann hätte auf die Idee verfallen können, dass der Antrieb zum Handeln nicht aus seinem Geist, sondern von anderswo kommen könnte. Aber nicht er. Er wusste, dass alles seinen Sinn hatte, dass unser Lebenszweck manchmal gerade darin bestand.
    Er ging weiter. Er wartete, dass es Nacht würde. Er wartete, damit ein ganz bestimmter Mensch nicht mehr länger zu warten brauchte. Gewiss, er hatte seine eigenen Gründe und seine weiter reichenden Zwecke, so zu handeln, aber das hieß nicht, dass es nicht auch für sein Opfer genau das Richtige war. Alles würde neu und frisch und ruhig sein.
    In dieser Situation gab es nichts zu verlieren.

17
    D ie Fahrstuhltüren gingen auf, und Burt stand drinnen. Er grinste und trat einen Schritt zurück, um Platz für Katelyn zu machen, merkte dann aber, dass er zuerst mit seinem Wagen hinausfahren musste, auch wenn das gegen seinen persönlichen Begriff von Höflichkeit verstieß. Er zögerte, bewegte sich ein wenig vorwärts und rückwärts, verdrehte die Augen und zuckte die Achseln. Mit kleinen Abweichungen spielte sich diese Zeremonie jeden Abend ab.
    Unter Entschuldigungen schob er den klappernden Wagen hinaus, drehte sich um und hielt die Fahrstuhltüren auf. »Holen Sie die Menükarten, Madam?«
    »Ja, genau, Burt. Und wie läuft es bei Ihnen heute Nacht?«
    »Alles wie immer.«
    Burt war der einzige schwarze Angestellte im Hotel Fairview, abgesehen von dem schon legendären Big Ron, der tagsüber Portier spielte. Katelyn mochte Burt. Er war doppelt so alt wie die übrigen Angestellten, arbeitete aber für zwei, und das auch noch um drei Uhr in der Früh. Wann immer man Burt begegnete, war er mit irgendetwas beschäftigt. Dass er auch einmal ausruhen könnte, schien undenkbar.
    Erst als er Katelyn sicher im Fahrstuhl wusste, winkte er ihr und zuckelte mit seinem Wagen weiter, um irgendwo etwas zu reparieren, auf die Reihe zu bringen oder wegzuwischen. Katelyn warf ihm einen Blick nach, während sich die Türen schlossen. Er war ein Nachtarbeiter, und etwas verriet ihr, dass er ähnlich empfand wie sie; auch er hatte das Gefühl, anders zu sein als die anderen. Sie hatte nie gefragt, warum, solche Fragen stellte man einfach nicht. War das zu einfach? Meinte sie, dergleichen liege außerhalb ihrer kollegialen Beziehungen, und wenn es so wäre, warum war es so? Warf das ein schlechtes Licht auf sie? War ihr Hierarchie wichtiger, als sie sich eingestand? Oder behandelte sie ihn gönnerhaft, ohne sich dessen bewusst zu sein, nahm sie ihn nicht ernst, weil er alt war oder …
    Um Himmels willen, es war schon spät.
     
    Eigentlich war das keine Arbeit für die Leitung der Nachtschicht. In manchen Hotels war das Aufgabe des Pagen, sein letzter Gang, bevor er Feierabend machen durfte. Bei einem Service rund um die Uhr blieb es am Koch hängen. Der warf gegen vier Uhr morgens die Maschine an und holte, nachlässig gekleidet, wie sie aus eigener Beobachtung wusste, die Menükarten selber ab. In einem der Hotels wurden die Menükarten um sechs und nicht um zwei Uhr an die Tür gehängt, es war die erste Aufgabe der Frühschicht, die auch die Frühstücktabletts auf die Zimmer brachte. Da war sie selbst anderer Auffassung. Man

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