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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Zornesröte ins Gesicht stieg, und versuchte, ruhiger zu sprechen. »Wenn du sie gehört hättest - ihre Qualen -, würdest du das, was sie erzählt, nicht bezweifeln. Ellen Higgins, das ist eine Schwester, war mit dabei bei dem Gespräch. Sie kann das, was ich dir gesagt habe, bestätigen.«
    »Ich sage ja gar nicht, daß Emily dich absichtlich hinters Licht führen will, Vic, aber sie könnte die Dinge, die sie an dem Abend erlebt hat, verzerrt sehen. Sie ist in einem Alter, wo sie sich höchstwahrscheinlich als Konkurrentin ihrer Mutter versteht. Soweit ich weiß, hat das Mädchen sich sowieso am meisten um den Haushalt gekümmert. Wenn sie ausgerastet ist, hat sie möglicherweise vergessen, was sie getan hat, und projiziert ihre eigenen Handlungen auf ihren Vater.«
    Ich hatte das Gefühl, als habe sich das Bett unter mir in Treibsand verwandelt, der mich in Sekundenschnelle verschluckte. Ich atmete ein paarmal tief durch, hielt die Luft an, atmete langsam wieder aus, versuchte nachzudenken. »Fabian«, sagte ich plötzlich. »Du hast mit Fabian über sie gesprochen.« »Ja, schließlich ist der Mann ihr Vater. Er hat ein Recht darauf, sich Sorgen zu machen, sich mit uns zu unterhalten. Sie schreit, wenn er das Zimmer betritt. Er ist völlig fassungslos. Er sagt, er macht sich schon seit einiger Zeit Sorgen um sie - sie mußte Deirdre ziemlich viele Aufgaben im Haushalt abnehmen, weil seine Frau ein Alkoholproblem hatte. Die kleine Emily hat vielleicht so viel im Haus gemacht, daß sie plötzlich gedacht hat, sie ist... «
    »Erspar mir deine Theorien«, fiel ich ihm ins Wort. »Fabian wendet da den denkbar schäbigsten Trick an, einen Trick, der auf den guten alten Freud höchstpersönlich zurückgeht. Wir wollen nicht glauben, daß ein angesehener Mann seine Tochter vergewaltigt, also sagen wir, sie bildet sich das nur ein. Sie nimmt nicht nur körperlichen, sondern auch psychischen Schaden, wenn wir ihr auch keinen Glauben schenken.«
    »Beruhige dich, Vic. Als Polizist mußt du als erstes lernen, unparteiisch zu bleiben. Alle wollen dir ihre Version der Geschichte andrehen. Du mußt abwägen, was am wahrscheinlichsten ist. Vielleicht solltest du mit Finch reden, ihn fragen, was er über den Vater weiß, bevor du Emily alles abkaufst.«
    Er nahm meine Hände und sah mir in die Augen, voller Mitleid, ohne Zynismus. Eine Kluft zwischen uns würde bedeuten, daß ich einen Teil meines Herzens verlor. Aber Emily im Stich zu lassen, um mein Leben mit Conrad zu retten, hieße, ein Stück aus meiner Seele herauszureißen.
    »Ich versuche, keine Vorurteile gegenüber Fabian Messenger zu haben«, sagte ich langsam, »wenn du dich bereit erklärst, eine Wache vor Emilys Tür aufzustellen, bevor wir gehen.«
    Conrad sah nicht gerade glücklich aus. »Ich kann das nicht veranlassen, bloß weil du das möchtest, Vic.«
    »Vergangene Nacht hat jemand versucht, in Emilys Zimmer einzudringen - er hat behauptet, ein Freund von Fabian zu sein. Die Nachtschwester hat ihn gesehen.« »Die Nachtschwester hat ihn für einen übereifrigen Reporter gehalten«, erwiderte Conrad. »Sie könnte recht haben.«
    »Natürlich.« Wann hatte ich mich bloß das letzte Mal so hilflos gefühlt? »Hast du mir ein paar frische Sachen mitgebracht? Ich muß mich schnell duschen und anziehen, dann komme ich in ein paar Minuten zu dir raus.«
    Conrad musterte mein Gesicht und sagte, er würde mit dem Wagen vor dem Eingang Huron Street auf mich warten. Dann reichte er mir die Segeltuchtasche und verließ das Zimmer. Sobald er weg war, rief ich die Streeter-Brüder an, die nicht nur Umzüge machten, sondern auch Jobs als Leibwächter übernahmen. Wir haben schon häufig zusammengearbeitet. Ich erreichte Tim und erklärte ihm Emilys Situation. »Sobald es ihr wieder bessergeht, hole ich sie hier raus. Aber das könnte noch ein paar Tage dauern. Wenn du da bist, wendest du dich am besten an Schwester Ellen Higgins. Ich versuche, sie noch zu erreichen, bevor ich weggehe, sie ist die einzige hier, die sich im Moment für Emily einsetzen würde.«
    »Wo kann ich dich erreichen, wenn ich rausgeschmissen werde?« erkundigte sich Tim. »Hinterlaß eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter.
    Aber laß dich nicht so schnell abwimmeln, paß auf, daß ihr niemand Strychnin in den Tropf mischt, ja?«
    Als er mir das mit dem lakonischen Humor versichert hatte, der das Markenzeichen der Streeters war, zog ich die Jeans an, die Conrad mir mitgebracht hatte. Er hatte

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