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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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versprach er, vor dem Wochenende keine seiner Quellen in Washington anzuzapfen.
    »Weißt du, das ist noch keine richtige Story«, teilte er mir mit. »Ich habe gestern meinem Chef die Kassette mit Tishs Aussage vorgespielt. Er läßt mich weiterstochern, aber im Grunde genommen geht er mit mir genauso um wie Finchley mit dir. Wenn wir was Hieb- und Stichfestes in der Hand haben, wie zum Beispiel ein Bordbuch oder Fotos, könnte ich der Zeitung vermutlich eine anständige Unterstützung aus dem Kreuz leiern.«
    Wir beschlossen, gegen Mittag zusammen nach Morris zu fahren, damit wir genug Zeit hatten, uns die Gegend anzusehen. Murray wollte mich um elf in der Straße hinter dem Diner an der Belmont Avenue abholen.

Lauter Freunde
    Die Kälte hatte sich durch meine Windjacke und meinen Pullover gefressen. Als ich neben Murray auf dem feuchten Boden lag, mußte ich mich zusammenreißen, um nicht mit den Zähnen zu klappern. Ich holte die Decke aus meinem Rucksack und hängte sie mir um die Schultern. Murray zog brummend einen Zipfel zu sich hinüber und schlang ihn sich um den Hals.
    Wir waren kurz nach eins bei Gant-Ag angekommen und hatten dann die Grenzen des Anwesens abgefahren. Am südwestlichen Ende des riesigen Grundstücks mit seinen Gebäuden und Versuchsgeländen stießen wir auf ein Dickicht, durch das ein Bach floß. Uber vier oder fünf Morgen erstreckten sich ursprüngliches Buschland und ein paar Bäume.
    Wir wußten, daß wir Gefahr liefen, von den Videokameras entdeckt zu werden, wenn wir uns auf das Grundstück vorwagten, hielten das aber hier in diesem Gebiet für eher unwahrscheinlich. Die wild wuchernden Büsche begrenzten einen Feldweg, der von den Frühjahrsregenfällen so schlammig war, daß Murray mehrmals die Kontrolle über seinen Cobra verlor.
    Den restlichen Nachmittag verbrachten wir in Morris. Nach einem späten Mittagessen gingen wir in die öffentliche Bibliothek, wo Murray in einem leeren Sitzungszimmer seine Videoausrüstung testete. Ein Freund aus dem PR-Büro von Ft. Sheridan hatte ihm nicht nur eine Nachtsichtvideokamera geliehen, sondern auch einen extraleichten Feldstecher. Weil wir nicht nur diese beiden Dinge, sondern auch Ersatzbatterien, weitere Videotapes, eine Decke, eine Thermoskanne, Murrays Kassettenrecorder, meine Waffe, die Dietrichsammlung und die Taschenlampe in der Dunkelheit durch die schlammigen Maisfelder schleppen mußten, waren wir schon bald außer Atem. Meine Beine, die mir immer noch die Jagd durch die Gateway Bank verübelten, fühlten sich wieder einmal an wie Gummi, als wir endlich nahe genug an der Landebahn waren, um uns niederzulassen.
    Die Decke war Mr. Contreras' Idee gewesen. Wir hatten uns heftig darüber gestritten, daß ich ohne ihn losziehen wollte. Der Gedanke, ich könnte ein Abenteuer mit einem anderen Mann als ihm bestehen, verletzte ihn; besonders schlimm war es jedoch, daß ich mich ausgerechnet Murray anvertraute, den er für einen arroganten Schnösel hielt. »Es könnte sein, daß wir die ganze Nacht weg sind«, warnte ich ihn. »Also geraten Sie nicht in Panik, wenn wir am Morgen noch nicht zurück sind. Falls Sie jedoch bis Mittag immer noch nichts von mir gehört haben, informieren Sie bitte Conrad.«
    »Sie gehen los, ohne ihm was zu sagen? Das ist ja das letzte«, brummte der alte Mann. Nachdem er erfahren hatte, daß nicht einmal Conrad Bescheid wußte, beruhigte er sich ein wenig. Er war sogar wieder soweit mit mir versöhnt, daß er mir eine Decke, Schokolade, ein Schinkensandwich - allerdings keins für Murray - und eine Thermoskanne voll Kaffee mit einem Schuß Grappa einpackte. Letzteren hatte ich in dem Diner, wo wir zu Mittag gegessen hatten, gegen ganz normalen Kaffee ausgetauscht. Jetzt war ich froh über diese Ausrüstung. Murray aß das Sandwich, während ich Kaffee trank und an einem Stück Schokolade knabberte. Wir unterhielten uns leise. Die Gebäude rund um die Landebahn waren zwar dunkel, aber im Haupttrakt konnten wir ein paar Lichter erkennen. In der Ferne hörten wir hin und wieder einen Laster durch den Vordereingang rumpeln.
    »Du meinst nicht, daß dein Freund Fabian sich das bloß ausgedacht hat, um dir eins auszuwischen, oder?« murmelte Murray so gegen zehn.
    »Mein Freund Fabian ist zu allem fähig. Wir sind jetzt seit einer Stunde da und haben absolut nichts gehört. Laß uns mal nachsehen, was in dem Hangar ist.« »Immer Action, was? Wenn uns da drin jemand auflauert, bin ich durch die Kamera ziemlich

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