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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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üblich. »Es war so gegen vier Uhr nachmittags, ich wollte grade mit der Arbeit aufhören, da ist sie reingekommen und hat nach dem Pulteney gefragt. >Das ist gleich nebenan<, hab' ich ihr gesagt. >Aber da ist jetzt kaum noch jemand drin. Was willst du denn da?< hab' ich sie gefragt. Ich hab' mir so meine Gedanken über sie gemacht, weil sie die beiden kleinen Jungs dabeihatte. Mein Gott, hab' ich mir gedacht, die fangen heutzutage schon ganz schön früh an. Schließlich war sie höchstens neunzehn, und der größere von den beiden Jungs war sicher schon sec hs. Vielleicht wollte sie ja auch in dem Gebäude unterschlüpfen, weil sie wußte, daß es abgerissen wird. Also hab' ich ihr und den Jungs ein Thunfischsandwich und eine Tüte Pommes geschenkt. Aber ich könnte Ihnen wirklich nicht sagen, ob sie nun ins Pulteney sind oder nicht.« Sie betonte den Namen des Gebäudes auf der zweiten Silbe, so daß Erinnerungen an das majestätische Bauwerk aufkamen, nach dem es benannt worden war. »Gibt's eigentlich von hier aus einen Zugang in den Keller des Pulteney? Da unten war nämlich noch eine andere Obdachlose, obwohl die Kellertür immer verschlossen ist.« Melba sah mich zweifelnd an. »Ich kann Sie da nicht nachschauen lassen, nicht ohne den Manager zu fragen, und der ist im Moment nicht da. Er kommt wahrscheinlich erst morgen früh wieder.«
    Ich holte einen Zehner aus meiner Handtasche und hielt ihn locker in der Hand. Sie nahm ihn mit Würde, machte mir aber ein Zeichen, daß die beiden anderen Kellnerinnen nicht leer ausgehen durften. Ein Fünfer für jede schien mir genug. Melba führte mich nach hinten, vorbei an der Küche, wo zwei Köche lachend Siebzehnundvier spielten, zur Kellertür.
    Die Treppe war alt, aber sauber. Unten stand eine riesige Kühltruhe in dem Teil des Kellers, den sie wirklich nutzten, wie mir Melba erklärte. Sie schaltete das Licht neben der Truhe ein und überließ mir die Taschenlampe, die dort hing, damit ich mir die Räume dahinter anschauen konnte. Der Boiler und die Heizrohre waren im ersten untergebracht. Es handelte sich um ein System, das genauso alt war wie das im Pulteney, installiert, als die Brennöfen noch aus Schmiedeeisen waren und ein ganzes Jahrhundert lang anstandslos funktionierten.
    Hinter dem Boiler lagen ein paar Lagerräume, angefüllt mit der Geschichte des Gebäudes. Die jüngsten Sachen - Formica-Tische und Plastiknischen - stammten vermutlich aus den Fünfzigern, als im Haus bereits ein Lokal eingerichtet war. Dahinter entdeckte ich die Überreste eines Friseurladens, altes Schusterwerkzeug und Teile einer Setzmaschine. Ich hatte nicht gewußt, daß das alte Druckerviertel so weit in den Norden gereicht hatte.
    Hinweise auf eine neuere Nutzung der Räume konnte ich nicht finden. Und obwohl ich auch, nachdem Melba das Interesse an meinen Aktivitäten verloren hatte, noch weiterstocherte und - wühlte, entdeckte ich keinen Winkel, der direkt mit dem Pulteney verbunden war. Als ich schließlich aufgab, war es nach vier. Ich hängte die Taschenlampe wieder an ihren Haken und ging, hustend von dem vielen Staub da unten, wieder hinauf. Die Köche spielten immer noch Karten. Offenbar war tagsüber wenig los im Coffee-Shop.
    Melba mußte lachen, als sie mich sah. »Sie könnten ein Bad vertragen, soviel steht fest. Na, haben Sie was gefunden?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich mache mich ein bißchen frisch. Und dann hätte ich gern ein Sandwich mit Schinken, Salat und Tomate. Und Pommes.«
    Pommes sind meine Schwäche; nach der vergeblichen Plackerei hatte ich mir wirklich einen Teller voll verdient. Als ich zur Toilette ging, hörte ich, wie Melba den Koch anwies, frischen Schinkenspeck auszubraten: »Aber nicht mit dem alten Fett, das du schon den ganzen Tag hernimmst, kapiert?«
    In dem winzigen Spiegel über dem Waschbecken sah ich, warum Melba gelacht hatte. Ich war total verdreckt, mein Gesicht und meine Haare waren ganz grau. Ich schrubbte mich, so gut es ging, aber die Sachen, die ich anhatte, mußten in die Reinigung. Als ich wieder herauskam, rief ich sofort bei den Culpeppers an. Es war gar nicht so leicht, einen von ihnen aufzuspüren. Endlich erwischte ich Freddie Culpepper am Autotelefon, was ihm offensichtlich unangenehm war. Er vergeudete teure Sprechzeit damit, mich zu fragen, wie ich an seine Nummer gekommen war. »Connections, Freddie. Ihr habt mich aus meinem Büro ausgesperrt, obwohl ich die Miete für diesen Monat bezahlt habe. Ich muß ins

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