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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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oder Cholesterin da drin ist, denn das interessiert mich nicht.« »Aber nein«, meinte der Kellner. »In keinem unserer Desserts ist Fett. Und für Sie, Ma'am?«
    Ich habe noch nie eine Schwäche für Süßes gehabt. Zwar hätte ich gut und gerne noch einen Teller Linguine verdrücken können, aber das hätte zu gefräßig ausgesehen. Also bestellte ich einen doppelten Espresso.
    »Du bist anderer Meinung als zwei der Menschen, die mir am nächsten stehen«, meinte Conrad. »Wenn Zu-Zu und Jasmine dich nicht so gut leiden könnten, würde ich wahrscheinlich anfangen, mir Gedanken über dich zu machen. Oder zumindest über unsere Beziehung. Jedenfalls ist es manchmal gar nicht so leicht, den Druck zu ertragen.«
    »Conrad, bitte. Ich versuche, deiner Mutter gegenüber höflich zu sein, aber sie behandelt mich so eisig, daß ich mir in ihrer Gesellschaft manchmal wie ein gefrorenes Mammut vorkomme.«
    Wir unterbrachen das Gespräch, als der Kellner mit Conrads Apple Pie und gelehrten Ausführungen über dessen geringen Kalorien- und hohen Vitamingehalt ankam. Conrads Bemerkung bezüglich seiner Stichwunde schien den Kellner aufmerksam gemacht zu haben - jedenfalls blieb er in Hörweite, wohl in der Hoffnung, noch weitere interessante Einzelheiten zu erfahren.
    »Du mußt die Geschichte mit Mama auch im Kontext sehen«, sagte Conrad und warf dem Kellner einen grimmigen Blick zu. »Wir haben nach dem Tod meines Vaters eine Weile im Hyde-Park-Viertel gewohnt. Mama meinte, da wären die Schulen besser, und die Gegend wä re sicherer für die Mädchen, weil alle sagen, daß es da liberal zugeht, daß die Rassendiskriminierung da nicht so schlimm ist. Aber ich bin dreimal von der Polizei angehalten und gefilzt worden. Einmal allein und zweimal mit meinen Freunden zusammen. Ich wollte nicht, daß sie das erfährt: Sie hat damals zwei Schichten gearbeitet, aber sie haben sie gezwungen, mich vom Revier abzuholen. Das war nur eine Beleidigung mehr auf der Liste, aber irgendwie hat sie gerade das verbittert. Das Leben hat es wirklich nicht gut gemeint mit ihr nach dem Tod meines Vaters.«
    Ich nahm einen Schluck Kaffee. »Nach der Geschichte wundert's mich, daß du überhaupt noch zur Polizei wolltest.«
    Er grinste, und dabei glänzte sein goldener Schneidezahn. »Vielleicht wollte ich es denen heimzahlen. Nein, die Zeiten haben sich geändert. Jedenfalls ein bißchen. Nach Vietnam hab' ich mit dem College angefangen, aber da bin ich mir zu alt, fehl am Platz, vorgekommen. Irgendwas mußte ich ja machen, und die Alternativen waren nicht gerade berauschend - Busfahrer, Tische abräumen im Lokal -, also habe ich die Prüfung gemacht und bin auf die Polizeischule. Finch war in meiner Klasse. Er kam vom College, von der University of Illinois. Die anderen wollten ihn zurechtstutzen, also haben ihm ein paar von den Jungs eines Abends aufgelauert. Da bin ich vorbeigekommen. Und danach waren wir Freunde.«
    Sein Piepser meldete sich. »Hoffentlich kein dreifacher Mord, sonst muß ich wieder in die Arbeit.«
    Er suchte sich ein Telefon und rief an, kam aber schnell wieder zurück. »Wenn man vom Teufel spricht ... Terry will mit dir reden.«
    Ich ging zu dem Münzfernsprecher im hinteren Teil des Restaurants. Terry klang steif und ein bißchen förmlich, aber ehrlich. Er wollte mir die Laborergebnisse mitteilen. An dem Schläger klebten tatsächlich Reste von Deirdres Gehirn. Außer meinen eigene n Fingerabdrücken befanden sich lediglich die von Emily darauf.
    »Sieht nicht allzugut aus, Vic. Ich wollte dir das nur sagen.«
    »Ist das nicht merkwürdig, Terry? Meinst du nicht auch, daß eigentlich die Fingerabdrücke von ihren Brüdern oder die von ihren Eltern auf dem Ding sein müßten? Oder die von Besuchern? Schließlich war der Schläger im Schirmständer im Flur, wo jeder ihn sehen konnte - er ist mir aufgefallen, als ich zum Essen bei ihnen war. Und wenn die Unterschrift von Nellie Fox drauf ist - da möchte man das Ding doch in die Hand nehmen. Ich hab' das ja selber gemacht.«
    »Vielleicht.« Terry klang nicht gerade überzeugt, war aber wenigstens höflich: Vielleicht hatte Conrad ihm auch einen Vortrag gehalten. »Ich geb' die Informationen an den Lieutenant weiter.«
    Ich dankte ihm dafür, daß er mir die Neuigkeiten sofort mitgeteilt hatte. Auf dem Weg zum Tisch machte sich ein merkwürdiger Optimismus in mir breit. Anders als die Gedankenkonstrukte, die ich mir manchmal aufbaue, in der Hoffnung, daß sich irgendwie

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