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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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erwähnte ich noch nebenbei, ohne es beabsichtigt zu haben, Lamia.
    »Wie hat Lamia das Sanierungsprojekt bekommen? Haben Sie es ausgeschrieben?« »Wieso wissen Sie über das Projekt Bescheid?« fragte sie.
    »Ich habe beruflich mit den Frauen zu tun. Gibt es Probleme mit ihrem Angebot?« Sie sah hilfesuchend zum Telefon, als hoffe sie, Jasper würde sie anrufen, um ihr einen Rat zu geben. Nach langem Schweigen murmelte sie, sie kenne sich nicht aus mit den Ausschreibungen, das erledige alles Jasper.
    »Und wenn ich Ihnen jetzt sage, daß Lamia den Auftrag bekommen hat, ohne daß er jemals ordnungsgemäß ausgeschrieben worden wäre, und daß das ungesetzlich ist, dann wüßten Sie davon auch nichts.«
    »Ich habe es Ihnen schon gesagt«, brüllte sie mich an. »Ich weiß es nicht. Sind Sie jetzt zufrieden? Gehen Sie, und lassen Sie mich wieder an den Computer.« Als ich die Tür langsam hinter mir schloß, wählte sie schon eine Telefonnummer. Gern hätte ich gelauscht, aber mir fiel einfach keine diskrete Möglichkeit ein. Also ging ich über die Straße und holte meine Wäsche ab. Meine Handtücher lagen wieder in einem anderen Korb, eine freundliche Frau hatte sie für mich gefaltet. Der Tag war also nicht völlig vertan gewesen: Immerhin hatte ich jetzt saubere Handtücher.

Überraschender Besuch
    Mr. Contreras riß seine Wohnungstür auf, sobald ich den Schlüssel ins Schloß der Haustür gesteckt hatte. »Hallo, Süße. Sie haben Besuch. Ich hab' ihn reingelassen, nachdem er eine volle Stunde gewartet hat. Er sieht mir nicht so aus, als ob er Ihnen was Böses will.«
    Die Hunde waren hinterhergestürzt und begrüßten mich, als hätten wir uns das letzte Mal vor Monaten, nicht erst vor zehn Stunden bei unserem Ausflug zum See gesehen. Sie jaulten so laut und verzückt, daß ich meinem Nachbarn gar nicht sagen konnte, wie wenig ich davon hielt, wenn er sich in meine Angelegenheiten einmischte. Vielleicht verstand Mr. Contreras nicht den genauen Wortlaut dessen, was ich sagte, aber meine schlechte Laune bekam er mit. Er sah mich mit seinen braunen Augen vorwurfsvoll an. »Ich wollte ja nur behilflich sein, Süße. Es würde mir nie im Leben einfallen, mich einzumischen. Aber jetzt, wo Sie daheim arbeiten müssen, gibt es keinen Ort mehr, wo die Leute auf Sie warten könnten. Was soll ich denn machen - soll ich mögliche Kunden raus in den Regen schicken, wo sie schon nach kurzer Zeit zur Konkurrenz gehen, bloß we il ich nicht die Höflichkeit besessen habe, ihnen einen Kaffee und einen Sitzplatz anzubieten? Dann hätten Sie wirklich Grund, sich aufzuregen.«
    Ich hob resigniert die Hände. »Schon gut, schon gut. Sie haben unter den gegebenen Umständen das Vernünftigste getan. Wer ist der Mann und wo steckt er?«
    Wie auf ein Stichwort kam Ken Graham an Mr. Contreras' Tür. Auf der Straße war mir schon ein Alfa Spider, ein Wagen, den ich sehr gern mag, aufgefallen. Der gehörte sicher dem Hacker, der immer noch Jeans und einen schäbigen Sportmantel trug. Aber wenigstens hatte er sich die Haare schneiden lassen und sich rasiert.
    »Schöne Hunde haben Sie«, begrüßte er mich.
    »Freut mich, daß Sie hergekommen sind, um sie sich anzusehen.« Ich drängte sie alle ins Haus, bevor Mitch ausbüchsen konnte. Ken mußte unwillkürlich grinsen.
    Einen Moment verschwand sein dreister, zynischer Gesichtsausdruck. »Ich bin zu Ihrem Büro gefahren und hab' gesehen, daß das Haus mit Brettern vernagelt ist. Auf Ihrem Anrufbeantworter haben Sie keine neue Büroadresse angegeben, also bin ich hierhergekommen.«
    »Ganz schön umtriebig. Haben Sie einen besonderen Grund?«
    »Nun seien Sie nicht gleich beleidigt. Dad macht mir Feuer unterm Hintern, und ich wollte hören, ob Sie schon was für mich gefunden haben. Sie wissen doch, worum's geht.«
    »Ich hab's nicht vergessen. Und Ihr Dad hat sich bei mir auch schon gemeldet. Man könnte sagen, mir macht er ebenfalls Feuer unterm Hintern. Ich ruf Sie an, sobald ich was gefunden habe.«
    Mr. Contreras lauschte aufmerksam, stellte jedoch keine Fragen: Schließlich wollte er ja nicht, daß so ein Greenhorn dachte, ich hätte ihn nicht voll und ganz ins Vertrauen gezogen. Jetzt versuchte er, Ken und mich in seine Wohnung zu locken, aber ich wollte allein sein. Oder genauer gesagt: Ich wollte mit keinem der beiden Zusammensein. Der junge Ken schien von seinem Vater das Selbstvertrauen geerbt zu haben - er glaubte, daß Menschen das taten, was er wollte, nur weil er ein

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