Engel im Schacht
irgendwie sauer auf mich, weil ich so viele Fragen stellte. Bloß die Erschöpfung, vielleicht auch meine chronisch angespannte finanzielle Lage machten mich jetzt so empfindlich gegenüber Kritik.
»Aber was soll ich sonst machen?« fragte ich Peppy verzweifelt. »Ich bin fast vierzig. Was anderes kann ich nicht, und es ist einfach schon zu lange her, daß ich die Juristerei aktiv betrieben habe.«
Peppy schaute mich besorgt an, hoffte wohl, daß meine Verzweiflung nichts mit ihr zu tun hatte, und war erleichtert, als ich mit dem Jammern aufhörte und in die Küche stapfte.
Mein letzter Einkauf lag schon ein paar Tage zurück. Der grüne Salat war welk, die Blattränder schwarz und schmierig. Das einzige Gemüse in meiner Küche, das nicht verschrumpelt oder vergammelt war, waren Zwiebeln und Knoblauch. Ich briet sie in meinem letzten Eßlöffel Olivenöl an, während ich einen Topf Polenta kochte. Nachdem ich das alles mit einem Stück Cheddar-Käse vermischt hatte, setzte ich mich vor die Glotze und sah den Cubs zu, wie sie sich gegen St. Louis abmühten. Peppy leckte den Topf zu meinen Füßen aus.
Um halb neun hielt ich die Cubs und meine eigene schlechte Laune nicht mehr aus und ging nach unten, um an Mr. Contreras' Tür zu klopfen.
»Ich geh' noch ein bißchen spazieren. Ich nehm' Peppy mit. Wahrscheinlich wird's spät; ich behalte sie über Nacht. Soll ich Mitch auch mitnehmen?«
Mein Nachbar beklagt sich oft, daß ich die Hunde vernachlässige, aber letztendlich ist er eifersüchtig, weil ich mich so gut mit ihnen verstehe. Wie erwartet, wollte er Mitch behalten.
»Vielleicht haben Sie bessere Laune, wenn Sie zurückkommen. Wenn Sie sich bei Conrad auch so aufführen, sind Sie bald wieder allein.« »Yes, Sir. Ich werde dran den ken.« Angeblich hatte Conrad sich als erstes von meiner Kratzbürstigkeit angezogen gefühlt, aber wahrscheinlich hatte die im Lauf der Zeit ihren Reiz verloren.
Der Alfa Spider stand immer noch vor der Tür. In der Dunkelheit konnte ich nicht feststellen, ob Ken drinsaß, aber als wir die Straße hinuntergingen, hörte ich, wie der Motor angelassen wurde. Was wollte der Junge bloß von mir?
Ich scheuchte Peppy in den Trans Am und fuhr nach Norden, auf die Belmont Avenue.
Der Spider war hinter uns, daran bestand kein Zweifel, und er blieb die ganze Zeit bis zum Lake Shore Drive dort. Ich lenkte den Wagen eine Meile nach Süden, nahm dann abrupt die Ausfahrt an der Fullerton Avenue und wartete am Eingang zum Park. Ein paar Sekunden später rollte Ken in seinem Spider heran, sah mich zu spät, um hinter mir stehenzubleiben, und parkte dann vielleicht zehn Meter vor mir. Ken Graham saß grinsend am Steuer und kam sich offenbar besonders schlau vor.
»Was zum Teufel wollen Sie eigentlich? Verlegen Sie sich jetzt auf Belästigung, bis Sie wieder mit der Hackerei anfangen können?«
»Ich hab' Ihr Interesse geweckt. Mehr wollte ich nicht.«
»Und wieso? Wenn Sie meinen, Sie müssen Ihre Reize spielen lassen, damit ich Ihren Vater nicht heirate, beleidigen Sie uns alle drei. Jedenfalls Ihren Vater und mich. Sie könnten meiner Meinung nach durchaus eine Beleidigung vertragen.« »Vielleicht mag ich Sie ja um Ihrer selbst willen.«
»Tja, und vielleicht war meine Mutter der erste weibliche Papst. Reißen Sie sich zusammen, Graham. Wenn Sie mir weiter nachfahren, erkläre ich Darraugh ohne Umschweife, warum ich mich weigere, einen Platz für Sie zu finden.« »Sie klingen wie meine alte Babysitterin. Benimm dich ordentlich, sonst sag' ich's Papa. Auf die war ich auch scharf.«
»Dann wird's Zeit, daß Sie erwachsen werden, Kleiner. Ich interessiere mich nicht für Jungs, denen ich noch die Windeln wechseln muß.«
Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging zu meinem Trans Am zurück. Während ich mit der Hand auf dem Türgriff dastand, ließ er den Motor aufheulen und brauste mit Karacho davon.
Ein bißchen tiefer
Ich fuhr Richtung Süden. Ein paarmal hatte ich das Gefühl, daß Ken mir immer noch folgte, aber ganz sicher war ich mir nicht. Ich fragte mich, ob er wirklich glaubte, ich hätte eine Affäre mit seinem Vater und stelle deshalb eine Bedrohung für sein Treuhandvermögen dar, oder ob er sich nur einen Spaß machen wollte. Wahrscheinlich waren all seine Freunde jetzt wieder auf der Uni, und ihm war einfach langweilig. Vielleicht hielt er es für einen befriedigenden Zeitvertreib, sich selbst und einer fast vierzigjährigen Privatdetektivin zu beweisen, daß er ihr
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