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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Finger im Immobilien- und Bankgeschäft. Alec Juniors Wunsch, sich zu beweisen, hatte ihn allerdings nicht veranlaßt, sich völlig unabhängig zu machen: Gantohol, wie er seine Tochtergesellschaft nannte, hatte Büros im Gant-Ag-Hauptquartier in der Nähe von Morris. Ich konnte mir den coolen Stadtmenschen nur schwer auf einem Maisfeld in Illinois vorstellen. Um drei wurde mir allmählich schwindelig von den ganzen Informationen, die da über den Bildschirm flimmerten. Viel länger hätten meine Augen nicht mehr mitgespielt. Aber das traf sich ganz gut, weil ich sowieso noch zu Tish mußte. Ich bat Murray, die Storys auf die Liste für die nächtlichen Ausdrucke zu setzen - ich würde sie dann am Morgen abholen.
    »Laß ja alle heißen Sachen auf dem Schreibtisch«, warnte er mich beim Abschied. »Der Große Alec steht immer kurz vor einem ordentlichen Skandal. Er und sein Vorgänger haben eine Menge interessanter Verträge mit dem Staat gemacht. Dein Kopf ist nicht mehr viel wert, wenn du heiße Informationen über ihn zurückbehältst, Warshawski. Es ist nicht leicht, einen Senator der Vereinigten Staaten abzusägen. Das könnte mir meinen Ruhestand vergolden.«
    »Wenn du nur nicht so gierig wärst, Ryerson«, raunzte ich ihn an und packte meine Sachen zusammen. »Eines Tages wirst du noch üble Magenbeschwerden kriegen.« Bevor ich ins Büro von Home Free ging, schaute ich noch schnell im Waschsalon vorbei, um festzustellen, was aus meinen Handtüchern geworden war. Mittlerweile ging es dort lauter zu als am Morgen, weil auch die Kinder da waren, die die Frauen von der Schule abgeholt hatten. Jemand war so freundlich gewesen, meine feuchte Wäsche in einen Korb zu legen. Nachdem ich die Handtücher in den Trockner gesteckt hatte, überquerte ich die Straße.
    Tish hockte noch immer vor ihrem Computer, als ich eintrat. Sie warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, beendete aber ihre Arbeit und faltete die Hände mit der übertrieben ergebenen Geste der Menschen, die eigentlich wenig Geduld haben. »Ist wahrscheinlich gar nicht so angenehm, hier den ganzen Tag bei geschlossenen Jalousien zu arbeiten«, meinte ich. »Das stört mich nicht - ich bin dran gewöhnt.«
    »Und für Jasper ist es noch schlimmer. Schließlich sitzt der im Hinterzimmer ganz ohne Fenster. Sie können wenigstens hin und wieder mal die Jalousien hochschieben und rausschauen. Natürlich kann er die Straße über die Videokamera beobachten, damit er nicht von ungebetenen Besuchern überrascht wird.«
    Sie sah mich mit finsterem Gesicht an. »Die Gegend hier ist nicht so toll. Wir können es uns nicht leisten, daß uns die Computer geklaut werden. Wollen Sie sich jetzt über Deirdre unterhalten, oder kann ich wieder weiterarbeiten?«
    Bevor wir uns über Deirdre unterhielten, brachte ich Tish dazu, mir ein bißchen über sich selbst zu erzählen. Sie spuckte die Informationen nur widerwillig und in kleinen Häppchen aus, aber irgendwann erfuhr ich doch, daß sie seit mittlerweile fünf Jahren für Home Free arbeitete. Sie hatte nach ihrem Abschluß in Städteplanung an der Technischen Universität als Praktikantin angefangen und später die Leitung des Büros übernommen. Deirdre hatte mit ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit ein paar Monate, nachdem Tish als Praktikantin gekommen war, begonnen. Damals vermittelte Home Free noch direkt Unterkünfte für Obdachlose, und sie brauchten jemanden, der ihnen dabei half. »Wann haben Sie damit aufgehört?«
    »Als Jasper hier anfing«, sagte sie knapp. »Er ist vor drei Jahren Geschäftsführer von Home Free geworden und hat sofort erkannt, daß wir einen Service bieten, der eigentlich zum Aufgabenbereich der Stadt und anderer gemeinnütziger Einrichtungen gehört. Er meinte, wir wären effektiver, wenn wir uns auf die Bautätigkeit beschränkten.«
    »Und der Beirat hatte kein Problem damit?«
    Sie starrte ihren Computer an. »Es hat eine Weile gedauert - fast ein Jahr. Wir mußten warten, bis ein paar von den alten Mitgliedern gegangen waren.« »Und bis Alec Gantner und Donald Blakely dafür kamen?« meinte ich. Sie warf mir einen wütenden Blick zu. »Hat das irgendwas mit Deirdre zu tun?« »Was hat sie von dieser Veränderung gehalten? Hatte sie Auswirkungen auf ihre ehrenamtliche Tätigkeit?« Steckte das hinter ihren Bemerkungen gegenüber Gantner während des Abendessens? Hatte sie sich dafür eingesetzt, daß Home Free weiterhin direkt Unterkünfte vermittelte, und hatte sie sich gegen die

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