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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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alle Fingerabdrücke von dem Schläger wischen und ihre dranlassen, und zweitens: Welchen Grund hätte sie gehabt, ihre Mutter umzubringen?« Fabian schenkte mir sein übliches selbstgefälliges Lächeln. »Ich habe einen Psychiater zu Rate gezogen, um mir über diese Frage klarzuwerden, Warshawski. Es ist absolut plausibel, daß sie erwischt werden möchte, wenn sie Deirdre getötet hat. Teenager machen so eine Phase durch. Sie fühlen sich als Rivalin der Mutter um die Gunst des Vaters. Vielleicht dachte sie, wenn ihre Mutter ihr nicht mehr im Weg steht, könnte sie ihre Stelle einnehmen; doch dann wurde sie von Schuldgefühlen überwältigt und hat dafür gesorgt, daß Beweise gefunden werden, die ausreichen, um sie des Mordes zu überführen.«
    »Da bist du aber an einen senilen Freudianer geraten, Fabian - viele Leute halten diese Ödipuskomplextheorien für ziemlich überholt. Außerdem hatte Emily die Rolle ihrer Mutter doch schon in vielerlei Hinsicht übernommen, oder? Vielleicht war sie wütend, aber sie hätte sie nicht umbringen müssen, um sie zu ersetzen.«
    »Was willst du damit sagen? Was geht jetzt wieder vor in deiner schmutzigen Phantasie, Warshawski?« Trotz der Heftigkeit seiner Worte blieb er zusammengekauert auf seinem Stuhl sitzen wie ein waidwundes Tier.
    »Sie hat sich doch um die kleineren Geschwister gekümmert. Mir ist sie bei dem Dinner wie die Stütze der Familie vorgekommen. Deirdre war zu betrunken, um irgend etwas organisieren zu können, und du warst zu sehr damit beschäftigt, dich vor deinen Gästen zu produzieren. Aber dein Alibi ist eine andere Sache. Du bist ziemlich brutal mit ihr umgesprungen letztes Wochenende und hast von ihr verlangt, daß sie bestätigt, du seist die ganze Nacht da gewesen. Wie konnte sie das wissen, wenn sie überhaupt nicht hier war?« »Verstehe. Da hast du natürlich recht.« Er verkroch sich wieder in seinem Morgenmantel und kaute auf seiner Unterlippe.
    »Vielleicht wart ihr ja beide nicht da«, überlegte ich laut und mußte an die Maus zwischen zwei Katzen denken. »Vielleicht seid ihr beide zusammen in die Stadt gefahren, um Deirdre umzubringen, und habt beschlossen, euch gegenseitig ein Alibi zu geben.«
    »Ich dachte, ich hätte klargestellt, daß ich die ganze Nacht da war. Ich bin nicht ausgegangen.« »Und Emily?«
    »Ich weiß es nicht. Ich hab' gedacht, daß sie auch nicht weg ist, aber sie muß das Haus verlassen haben, nachdem ich ins Bett bin. Am Morgen war sie jedenfalls da. Sie hat die Kinder angezogen und ihnen Frühstück gemacht.« »Wie war sie an dem Morgen?«
    »Wie meinst du das?« Er blinzelte, als verlange ich von ihm, mir die Relativitätstheorie zu erklären.
    »War sie durcheinander? Hat sie sich wie ein Mädchen verhalten, das gerade seine Mutter umgebracht hat?«
    »Ach so.« Er kaute weiter an seiner Lippe. »Ich glaube nicht, daß ich mich an dem Morgen mit ihr unterhalten habe; ich habe in diesem Zimmer gearbeitet, weil ich meinen Vortrag vorbereiten mußte. Vielleicht habe ich nach ihr gerufen, als ich sie in die Küche gehen hörte.«
    »Und was, meinst du, hast du zu ihr gesagt?« Ich kam mir vor, als rudere ich ein Boot durch Melasse.
    »Wahrscheinlich habe ich ihr gesagt, sie soll aufpassen, daß Joshua seine Milch trinkt. Oder so was Ähnliches. Sie ist ihm gegenüber manchmal zu nachgiebig - wie zum Beispiel bei dem Text für Manfred, den er nicht richtig auswendig gelernt hat. Aber das sind alles gelegte Eier. Möglicherweise habe ich ihr auch gesagt, sie soll nicht gehen, bevor Mrs. Sliwa da ist, weil jemand hier sein mußte, um auf Nathan aufzupassen.«
    »Und das hättest du nicht machen können?«
    »Ich hab' gedacht, ich hätte dir schon gesagt, daß ich meinen Vortrag vorbereitet habe.« Wieder flackerte kurz seine Überheblichkeit auf.
    Ein wundervoller Haushalt: Papa, der Pascha, dessen Wünsche Vorrang haben vor allen Bedürfnissen oder Plänen seiner Untergebenen. »Du mußt dich ziemlich geärgert haben, daß Deirdre die ganze Nacht weggeblieben ist. Oder war das vorher schon mal vorgekommen?«
    Er wurde rot. »Was willst du damit sagen? Daß sie einen Liebhaber hatte? Sie war eine liebende und treue Gattin. Ich möchte nicht, daß irgend jemand ihr Andenken beschmutzt.«
    Unwillkürlich fiel mir wieder die Szene im Schlafzimmer ein. Was ging in Fabians Kopf vor? Wie schaffte er es bloß, seine eigene Gewalttätigkeit mit seinem Ideal von der liebenden Gattin in Einklang zu bringen, die ihm bis in

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