Engelherz - Band 1-3
gemacht, weil ich glaubte, als Nachtdämon unter ihnen leben zu können?“
Ich fühlte mich leer und ausgebrannt. Wieder hatte ich alles falsch gemacht.
Samiel ließ seinen Kopf sinken und starrte zu Boden. „Es ist meine Schuld, nicht wahr?“, flüsterte er, obwohl er die Antwort kannte.
Er sah wieder hoch. „Und wenn ich aufhöre? Wenn ich mich den Menschen nicht mehr zeige? Wenn ich keine Wunder mehr vollbringe?“
„ Das würdest du tun?“, fragte ich heiser. Der Kloß in meinem Hals war mittlerweile so dick, dass ich meine eigenen Worte wie durch Watte hörte.
„ Ich würde alles tun, worum du mich bittest, Lilith!“, meinte er mit weicher Stimme und sein Blick bat darum, ihn zu lieben.
Meine Kehle war wie zugeschnürt und meine Stimme zittert: „Ich werde trotzdem die Stadt verlassen.“
„ Ich kann diese Stadt keine Stunde länger ertragen: Die fingierte Religion, das Heiligtum, das Symbol für die Gleichheit der Menschen. Alles ist so falsch, so gelogen. Jahre meines Lebens vergeudet.“
Samiel nickte und sah zu Boden, als hätte er nicht wirklich damit gerechnet, dass ich blieb. Die Einsamkeit, die ihn umgab, war beinahe greifbar.
Er murmelte etwas, was ich nicht verstand.
„ Bitte?!“, forderte ich ihn auf, deutlicher zu sprechen.
Er warf mir einen Blick zu, der mir klar machte, dass er nicht wirklich gewollt hatte, dass ich seine Worte verstehe.
Trotzdem wiederholte er sie mit gesenktem Kopf: „Ich habe gewusst, dass du hier bist.“
Ich nickte stumm, in meiner Ahnung bestätigt.
„ Es tut mir leid.“ Er blickte auf. „Es tut mir Leid, dass ich mich bei Adams Tod benommen habe wie ein eifersüchtiger Idiot ... und eben nur wie ein Idiot“, entschuldigte er sich.
„ Du hast mir nicht vertraut.“ Obwohl es ein Vorwurf sein sollte, klangen die Worte aus meinem Mund eher wie die schlichte Feststellung einer Tatsache.
„ Kann ich dir denn trauen?“ Sein Gesichtsausdruck flehte um Bestätigung.
„ Wie kann ich ihm eine Sicherheit geben? Eine Gewissheit? Wie kann er mir trauen, wenn er nicht einmal mehr Jahve traut?“ , flüsterte meine innere Stimme leise und traurig.
Als ich nicht antwortete, drehte er sich zu seinem Tempel, als könne dieser und die dort praktizierte Religion ihm Trost bieten, so wie es vielleicht bei den Menschen der Fall war.
„ Du kannst mitkommen, wenn du willst!“, flüsterte ich so leise, dass ich mich wunderte, dass er mein Angebot tatsächlich hörte.
Überrascht sah er mich an und die Liebe in seinem Blick brach mir beinahe das Herz.
„ Du verzeihst mir?!“, die Angst und Sorge in seinen Worten entsprach seinem Gesichtsausdruck. – Ich begriff schlagartig, dass er all die Jahrhunderte nicht zu mir gekommen war, weil er Angst hatte, er könne mich umsonst um Vergebung bitten.
Ich schenkte ihm mein liebevollstes Lächeln. „Als hätte ich ihn je alleine lassen können!“
Vorsichtig, wie um den Zauber zwischen uns nicht zu zerstören, nahm er meine Hand und ich ließ es geschehen.
***
So kam es, dass wir gemeinsam Babylon verließen, um nie wieder zurückzukehren. Der falsche Gott und die falsche Dämonin. Hand in Hand der Zukunft entgegen.
Wenn ich mich heute zurückerinnere, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als die Zeit zurückdrehen zu können, denn es waren die glücklichsten Jahrhunderte meines Lebens.
Gemeinsam erforschten wir alle Winkel der Erde und gingen an Orte, wo noch kein Mensch seinen Fuß hingesetzt hatte. Wir verbrachten Jahre an Traumstränden unter Palmen, schwammen mit den Delfinen und tauchten mit den Kraken. Wir gingen ins ewige Eis und erforschten die tiefsten Urwälder. Nichts war zu abwegig oder zu gefährlich, solange wir zusammen waren.
Kein Mensch, kein Engel, kein Gott, es gab nichts und niemanden. Nur uns beide.
„ So hätte Eden sein sollen!“
Und genau so hätte es bis in alle Ewigkeit bleiben können, wenn die Menschheit sich nicht immer weiter ausgebreitet hätte. Unsere eigene Welt wurde immer kleiner, während die Menschen die entferntesten Kontinente eroberten und sich wie Parasiten an alle Klimazonen anpassten.
Und natürlich, wenn nicht immer öfter die Geister der Vergangenheit, die verlorenen Seelen nach uns gegriffen hätten.
„ Es gibt mehr Geister der Toten als lebendige Menschen auf dieser Welt!“, flüsterte Samiel eines Tages während wir an einem einsamen Sandstrand lagen und das Prickeln der Sonne genossen.
Erschrocken blickte ich auf. Sein Gesichtsausdruck ließ
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