Engelsauge-Nacht des Todes (German Edition)
Augen sehen und
strich langsam mit seiner rechten Hand über ihre
Wange.
Seine Hand ruhte auf ihrer linken Wange und Enya
wiederum hielt seine Hand mit ihrer fest.
„Du warst immer meine Nichte“, er machte eine kurze
Pause um Luft zu holen, „und du wirst es immer sein.
Egal was man dir sagt.“
„Ich weiß es, Stew, und mir macht es nichts aus. Du
wirst immer meine Familie sein.“
Stewart lächelte leicht. Lag ihm dieses Geheimnis doch
immer schwer auf seiner Seele.
Enya wollte ihn nach der Familie ihres Vaters fragen,
doch sie traute sich nicht und wollte ihn auch nicht
überfordern.
Als hätte er aber ihre Gedanken gelesen, sprach Stew
langsam und stockend weiter.
„Dein Vater war sehr nett, anfangs. Etwas stimmte aber
nicht mit ihm. Kurz vor dem Unfall war etwas passiert,
aber er hat mir oder Skalya nichts gesagt.“
Er rasselte beim sprechen und das Atmen fiel ihm
zusehends schwerer.
Eine Krankenschwester war mittlerweile auch im
Zimmer und trat nun ans Bett ran.
„Er benötigt nun wirklich Ruhe, Miss.“
Doch Stew winkte ab.
„Geht schon“, sagte er in ihrer Richtung und schaute sie
direkt an. Die Krankenschwester hatte schon zwanzig
Jahre Berufserfahrung und wusste sofort Bescheid. Sie
stellte sich, ebenfalls wie Jadon, etwas Abseits und
wartete.
„Mein Vater?“, griff Enya das Gespräch wieder auf.
„Enya, er war ein guter Mensch. Ich weiß nicht, was mit
ihm passiert war, aber es muss schlimm gewesen sein.“
„Was ist mit seiner Familie?“
„Hmm, die kenne ich nicht. Er sagte, seine Eltern wären
schon lange Tod. Keine Geschwister oder so.“
„Okay, du solltest dich nun wirklich wieder ausruhen.
Wir reden später weiter, ok?“
„Keine Zeit, Kleines. Dein Vater, Jack, und das, was hier
passiert ist, hängt das zusammen?“
Enya schaute ihn an und nickte.
„Das könnte sein, ja“, sagte sie und Beide schauten sich
für einen kurzen Moment lang an.
„Pass auf Dich, meine liebe kleine Enya.“
Dann fiel die Hand, welche gerade auf Enyas Wange
geruht hatte, schlapp hinunter. Leere Augen starrten sie
an.
Fassungslos stand Enya da, reglos und ohne jegliche
Gefühle in sich. Als wäre mit ihm alles in ihr erloschen.
„Enya, komm.“ Jadon hielt Enya an den Armen von
hinten fest und holte sie von dem gerade verstorbenen
Stewart weg. Die Krankenschwester machte die Geräte
aus und überprüfte die Vitalzeichen an Stewart, ehe sie
sich den Todeszeitpunkt notierte und nach draußen
ging, um dem Arzt Bescheid zu geben.
Kapitel 9
Es dauerte eine halbe Stunde, ehe Enya wieder zu sich
kam. Jadon hatte sie auf einen Stuhl im Flur gesetzt, wo
sie die letzte halbe Stunde mit offenen Augen ins Leere
gestarrt hatte.
„Jadon?“, fragte sie mit leiser Stimme.
„Ich bin hier.“ Er kniete neben ihr, hielt dabei ihre
Hände fest in Seinen und schaute sie ruhig an.
Enya erwiderte seinen Blick.
„Ist er …“, sie musste eine Pause machen und sich
sammeln, „ist er gerade wirklich gestorben?“
Jadon konnte nur nicken.
„Okay.“
Diese Antwort irritierte ihn. Was ging in ihr vor? Er
konnte es nur ahnen. Vor sehr langer Zeit musste auch
er Verluste von geliebten Menschen verkraften und er
hatte diese Schmerzen so tief in sich begraben, dass er
jetzt nach so langer Zeit nicht mehr wusste, wie es
gewesen war. Diese Erkenntnis über ihn selber empfand
Jadon als schlimm. Er fing an sich dafür zu hassen, dass
er all diese Gefühle tief in sich begraben hatte, dass er
jetzt nicht mehr wusste, wie schlimm er sie empfunden
hatte oder ob und wie traurig sie ihn gemacht hatten. Er
schaute in das traurige Gesicht von Enya und erneut
übermannte ihn der Hass auf Kenneth und Colbie
Bowler, die dafür verantwortlich waren. Nicht zu
vergessen William Strightler, den er aus tiefstem Herzen
hasste und verabscheute.
„Au, du tust mir weh. Jadon, was ist los?“
Enyas Stimme drang zu ihm vor und ließ den Hass wie
eine Seifenblase zerplatzen. Erst jetzt bemerkte er, dass
er in seiner Wut Enyas Hände zu stark gedrückt hatte.
„Oh, nein, das wollte ich nicht. Es tut mir leid. Habe ich
dir sehr weh getan?“
Wie zum Trost strich er vorsichtig über die geröteten
Hände.
„Hat nicht mehr viel gefehlt, aber alles gut. Was ist mit
dir?“
„Ich war einfach nur sauer. Schon gut.“
Enya glitt mit ihren Händen aus den Seinen und legte
ihre um seinen Hals. Sie drückte ihn an sich.
Jadon roch an ihrer Haut, so warm und weich, ein
leichter Duft- ein Gemisch aus Parfum, etwas Schweiß,
gepaart mit ihrem eigenen Duft
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