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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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Wasserguss, was er im Begriff war zu tun.
    „Dir geschieht nichts“, stieß er hervor. Ihre Schönheit nahm ihm den Atem. Reue ballte sich in seiner Kehle zusammen. Er würde es wieder gut machen. Er würde ihr zeigen, dass er nicht das Monster war, für das sie ihn hielt.
    Er versuchte, ihr nicht weh zu tun, was nicht leicht war, da sie sich wie eine Besessene wehrte.
    Kain knebelte sie und fesselte ihre Hand- und Fußgelenke. Schließlich fixierte er ihren Körper an einem der Verandapfosten. Abscheu überwältigte ihn, als ihr Blick ihn traf, Abscheu vor dem, was er tat. Was er war. So hatte er es sich nicht vorgestellt. Das war es nicht, was er hatte tun wollen.
    Er wandte sich ab und wälzte den Leib des Schattenläufers mit dem Fuß herum. Der Mann war noch bewusstlos, seine Lider flackerten. Kain packte ihn an den Armen und schleifte ihn fort vom Haus. Er zog ihn ein Stück über den Rasen, hinauf zur Hügelkuppe, zu einem Sandfeld mit Volleyballnetzen, das verlassen im Halbdunkel lag. Unter einem rostigen Eisenrahmen ließ er ihn zu Boden sinken.
    Er durchsuchte seine Taschen, förderte eine Brieftasche zu Tage und einen Dolch mit einer Tantoklinge. Unwillkürlich tastete er nach den zwei wulstigen Narben an seiner Kehle. Zorn flammte wieder auf und lenkte ihn ab vom Unbehagen, das er empfand, wenn er hinüberblickte zu dem Haus und sich Eves Furcht vorstellte und das Entsetzen, das er in ihr auslöste.
    Noch immer verstand er nicht vollständig, was mit ihm geschehen war. Nur, dass sie in seinem Blut brannte, dass er an nichts anderes mehr denken konnte, dass sie durch seine Träume streifte und Emotionen in ihm aufrührte, die zu empfinden er sich für unfähig gehalten hatte.
    Kain wuchtete den Körper des Schattenläufers über seine Schulter und drückte ihn gegen den Rahmen, so dass er seine Hände an den Querbalken fesseln konnte.
    Er machte sich nicht länger die Mühe, seine Aura abzuschirmen. Es hatte ihn Kraft gekostet, seinen Geist für so viele Stunden zu verschließen.
    Leicht ging er in die Knie, grub die Brieftasche aus dem Sand und blätterte durch die Karten.
    „Alan“, stellte er fest. Er ließ sie fallen und griff nach dem Dolch. Anerkennend bleckte er die Zähne. Die Klinge war meisterlich geschliffen. Ein wenig Blut trat aus, als er seinen Daumen gegen die Schneide drückte. Kain richtete sich auf und lächelte ihn an. „Alan, kannst du mich hören?“
    Der Mann hob quälend langsam den Kopf.
    „Alan, mein Bruder. Freust du dich, mich zu sehen?“
    Der Dolch in seiner Hand fühlte sich gut an. Schwer und geschmeidig, wie gemacht für die Jagd. „Nun sag schon, dass du dich freust.“
    Er trat dicht an Alan heran. Das Leder des Griffs schmiegte sich weich in seine Finger. Sein Arm mit der Waffe umschlang den Körper des anderen. Leicht drehte er sein Handgelenk, so dass die Klinge gegen Alans Rippen drückte. Er verstärkte den Druck, bis er spürte, wie Alans Muskeln sich versteiften unter dem plötzlichen Schock. Der köstliche Duft von Blut stieg zu ihm auf. Er verharrte in der Umarmung und lauschte dem Herzschlag seines Halbbruders, erspürte das Zittern, das den Körper überlief.
    „Alan, du weißt es, nicht wahr?“
    Die Klinge traf auf Widerstand, glitt an einer Rippe ab. Kain hielt sie noch einen Augenblick fest. Mit einem Ruck zog er sie aus der Wunde und trat einen Schritt zurück. Er las Erkennen in den blutunterlaufenen Augen.
    „Du weißt es“, sagte er. Eine merkwürdige Erwartungsfreude stieg in ihm auf. „Du spürst es auch, nicht wahr? Wir sind uns so nah, mein Freund.“

    Alan hatte Mühe, seinen Blick auf Kain zu fokussieren. Er war benommen, sein Körper schmerzte. Sein Herzschlag hallte ihm in den Ohren. Bevor er das Gesicht des Mannes sehen konnte, hatte er bereits die Aura gespürt, scharf und schneidend wie ein arktischer Wind.
    Galle brannte in seiner Kehle. Er hatte sich von Kain überrumpeln lassen.
    „Ich weiß, was du denkst, Alan.“ Kains lächelte. „Du fragst dich, wie ich dich finden konnte.“
    Blut lief aus Alans Wunde an seinem Hinterkopf und sickerte seinen Rücken hinunter. Es war ein dünner Strom, warm und stetig, der sein T-Shirt tränkte. Alan zog an seinen Fesseln.
    „Versuch‘s erst gar nicht.“ Kain drehte den Dolch in der Hand. „Weißt du übrigens, wie es sich anfühlt, am eigenen Blut zu ersticken?“ Die Klinge strich über Alans Kehle, doch der Schmerz blieb aus. Kain lachte auf. „Aber ja, natürlich weißt du das.

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