Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut
konnte.
„Siehst du das Netz?“, fragte Felipe. Er nippte an seinem Kaffee.
„Abgefahren, nicht wahr?“ Eve berührte das Gespinst mit einer Fingerspitze. Obwohl aus feinsten Silberfäden gemacht, fühlte sich der Kokon erstaunlich stabil an. Die Fasern wuchsen aus der Innenseite der Fassung und überzogen den Opal wie eine Spinnwebe. „Ich habe so etwas noch nie gesehen. Glaubst du, der Ring ist alt?“
„Möglich. Der Stein allein dürfte ein Vermögen wert sein.“
Als sie ihn zurück auf den Tisch legen wollte, entdeckte sie eine Gravur auf der Innenseite des Rings. Die Linien waren dünn und nur schwer zu entziffern. Eine Schriftzeile, die an arabische Kalligrafie erinnerte.
„Sieh mal.“ Sie reichte Felipe den Ring. „Kannst du was damit anfangen?“
Er hielt sich das Schmuckstück dicht vors Gesicht und kniff die Augen zusammen. Dann ließ er die Hand sinken.
„Du solltest das einem Experten zeigen.“
Eve stieß den Atem aus. „Und was, wenn das Ding letzten Monat in London gestohlen wurde und zufällig zu den britischen Kronjuwelen gehört?“
„Tja“, Felipe beugte sich vor, „dann musst du den Jungs wohl beichten, wo du es her hast.“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Wo hast du es eigentlich her?“
„Ich habe es Andrej Icoupov abgenommen.“
„Einem der Downtownkiller, richtig.“ Seine Stimme nahm einen entnervten Tonfall an. „Eve, würdest du mir bitte erzählen, was genau passiert ist, nachdem dein Handy-Akku den Geist aufgegeben hat? Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du nicht aufgetaucht bist. Ich habe die Polizei angerufen ...“
„Du hast was?“ Sie schoss von den Polstern hoch.
„Ich habe die 911 gerufen, aber die freundliche Dame sagte mir, ich solle noch vierundzwanzig Stunden warten, bevor ich eine Vermisstenanzeige aufgebe.“ Seine Wangen röteten sich. „Es war vier Uhr nachts und dein Anruf war drei Stunden her! Ich schwöre, ich war drauf und dran, Mark aus dem Bett zu klingeln. Zum Glück bin ich auf die Idee gekommen, noch mal die Aufzeichnungen der Überwachungskamera durchzusehen. Und siehe da, die fünf Minuten, in denen ich nicht am Platz war, finde ich dich halbnackt in einem Männer-T-Shirt, wie du barfuß und mit nassen Haaren durch das Foyer schleichst.“
Eve biss sich auf die Lippen.
„Süße, ich hatte Nachtschicht, ich bin hundemüde und ich war krank vor Sorge um dich.“
„Tut mir leid. Ich habe dich aus dem Bett geklingelt, was?“
„Ja, hast du.“ Er trank noch mehr Kaffee. „Und jetzt erzähl mir, was passiert ist. Ich will wenigstens wissen, was ich den Bullen vorlügen muss, falls sie hier auftauchen und dich verhaften wollen, weil du wieder irgendwas angestellt hast.“
„Felipe!“
„Ist doch wahr“, murrte er. „Ich hatte wirklich Angst um dich. Du stürzt dich Hals über Kopf in irgendwelche Abenteuer, ohne nachzudenken. Das hier ist das echte Leben, okay? Hier wird man verletzt, wenn man strauchelt und fällt.“
Eve stand vom Sofa auf und ging zur Küche, um ihre Tasse nachzufüllen. „Möchtest du was essen?“
„Danke, dass du fragst, aber bei mir ist es mitten in der Nacht.“
„Tut mir leid“, wiederholte sie. „Willst du lieber wieder ins Bett gehen?“
„Schon gut. Sagst du mir jetzt, wo genau du dein Kleid und die Schuhe verloren hast?“
Eve war unsicher, wie weit sie Felipe einweihen sollte. Er war ihr bester Freund und sie hatte nie Geheimnisse vor ihm gehabt, aber das hier sprengte alle Dimensionen.
„Der Russe ist mir gefolgt“, sagte sie. „Er hat mir aufgelauert. Wenn Alan nicht gewesen wäre, hätte er mich umgebracht.“
„Wow.“ Felipe stieß die Luft aus.
„Der Ring gehört Andrej, ich habe ihm das Ding abgenommen. Vielleicht ist das eine Spur zu dieser Kunstschmuggel-Geschichte. Ich habe auch sein iPhone. Und eine Haarprobe.“
„Oh, toll.“ Felipe war verblüfft. „Kunstschmuggel?“
Er fragte nicht einmal, wie Alan in die Geschichte verwickelt war. Das zeigte nur, wie sehr ihn ihre Beichte aus der Fassung brachte.
„Und glaubst du nicht, dieser Russe wird versuchen, sich seine Sachen wiederzuholen?“
Der Russe war tot. Aber das konnte sie Felipe nun wirklich nicht sagen. Er würde nicht verstehen, dass sie sich weigerte, die Polizei einzuschalten. „Das T-Shirt gehört Alan“, sagte sie, ohne auf seine Frage einzugehen.
„Du meinst Alan, wie Alan der Maler?“
„Ich habe um Hilfe geschrien.“
Felipe nickte, als erkläre das alles.
Eve war froh, dass er
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