Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut
Dusche wickelte sie sich in ein dickes Handtuch und ließ sich auf den gekachelten Boden sinken. Sie war zu Tode erschöpft. Lange saß sie so, den Blick auf ein imaginäres Ziel gerichtet, und wartete, dass die Wärme in die tieferen Schichten ihres Körpers sickerte. Inzwischen befand sie sich an einem Punkt, an dem sie so etwas wie Alans Behauptung, er sei vierhundert Jahre alt, tatsächlich akzeptieren konnte. Dinge, die jeder Vernunft widersprachen. Vielleicht lag es daran, dass nichts von dem, was sie in den vergangenen Tagen erlebt hatte, vernünftig war.
Sie richtete sich wieder auf und trat vor den Spiegel. Mit dem Handrücken wischte sie das beschlagene Glas frei. Sie fuhr sich durch die nassen Locken und fragte sich, ob Alan sie attraktiv fand. Es knisterte zwischen ihnen, ohneZweifel. In Alans Berührung hatte keine Unschuld gelegen. Doch was, wenn es nicht mehr war als eine flüchtige Hitze, vielleicht eine Folge der extremen Ereinisse dieser Nacht, die nach wenigen Stunden verflogen war?
Das Handtuch fester um ihre Brüste gezogen, schlich sie zurück ins Atelier. Alan lehnte am Fenster.
„Hey“, sagte sie.
Er hob eine Tasse vom Tisch und hielt sie ihr entgegen. Dabei strich wie zufällig seine Hand über ihren Arm, eine Berührung wie ein elektrischer Schlag, die die Härchen auf ihrer Haut aufrichtete. Für einen Moment vergaß sie zu atmen. Er stand so dicht vor ihr, dass sie die Wärme seines Körpers spürte. Rasch senkte sie ihren Kopf und nippte an ihrem Tee in dem angestrengten Versuch, ihre Fassung zu wahren. Doch nun begann auch noch das Handtuch zu rutschen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als die Tasse auf den Tisch zurückzustellen und mit beiden Händen nach dem Knoten zu greifen.
„Ich frage mich die ganze Zeit“, murmelte Alan, „wie es wäre, dich zu küssen.“
Eve erstarrte.
Seine Stimme sank in ihr Bewusstsein wie durch dichten Nebel. Sein Atem streifte ihre Locken, ihre Stirn.
„Tatsächlich denke ich darüber nach, seit du im Bad verschwunden bist.“
Sie sah in seine Augen, die sich noch weiter zu verdunkeln schienen. Alans Mund formte sich zu einem schmalen Lächeln. Es lag Zärtlichkeit darin, und eine vage Hoffnung, die ihr beinahe das Herz stehen bleiben ließ.
Das Handtuch rutschte. Aber sie konnte sich nicht darauf konzentrieren. Sie war gefangen in seinem Blick, der ihren Atem flattern ließ und ihre Haut in Brand setzte. Das Lampenlicht verlieh seinem Gesicht einen weichen Schimmer. Sein Haar kringelte sich feucht über dem weißen Hemdkragen. Eves Mund wurde trocken. Er wirkte überhaupt nicht mehr wie jemand, der eben dem Tod entkommen war.
„Nein, das ist nicht ganz richtig“, korrigierte er sich. „Genau genommen kam mir der Gedanke schon auf der Vernissage.“
„Weil ich dich so in Bann geschlagen habe mit meinen intelligenten Fragen?“ Ihre Stimme klang rau in ihren Ohren. Das Herz schlug ihr so hart gegen die Kehle, dass sie kaum die Worte zu formen vermochte.
Alan hob einen Arm und berührte sie im Nacken. Seine Finger gruben sich in ihre Locken. Eve wurde bewußt, dass es ihr gleichgültig war, ob das nun eine flüchtige Leidenschaft war oder nicht. Sie packte Alans Kopf mit beiden Händen und zog ihn zu sich herunter.
Seine Lippen, schmeckten genau, wie sie es sich vorgestellt hatte. Glatt waren sie und fest, fordernd, als seine Zunge sich einen Weg in ihren Mund bahnte. Es war wie eine Explosion. Er küsste sie mit der Begierde eines Verdurstenden. Das Handtuch löste sich, als er ihre Hüften umschlang und sie heftig an sich zog. Sie spürte seine Erektion, die Hitze seines Körpers und hoffte, dass der Kuss nicht enden würde. Das war es, was sie gewollt hatte, von dem Moment an, da sie seiner Silhouette hinter dem Fenster verfallen war.
Halb schob er sie, halb taumelten sie, fanden den Weg zu seinem Bett. Das Handtuch glitt zu Boden. Seine Finger auf ihrer nackten Haut verursachten ihr eine Gänsehaut. Das Holzgestell stieß gegen ihre Kniekehlen, sie knickte ein und sank auf die Laken. Alan war über ihr, seine Hände umfingen ihre Hüften. Er duftete nach Holz, Orangen und warmem Leder. Genau so, wie ein Mann riechen sollte. Seine Zunge glitt über ihre Lippen, dann hob er den Kopf. Dunkle Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht.
Eve begann, sein Hemd aufzuknöpfen, strich mit beiden Handflächen über seine Brust, den muskulösen Bauch, ertastete die vielfach vernarbte Haut. Sie fand die feine Haarlinie, verfolgte sie weiter. Ihre
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