Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut
doppeltes Spiel mit ihr. Das schmerzte. Es schmerzte so sehr, dass sie sorgfältig vermied, darüber nachzudenken. Nicht zu vergessen, der gottverdammte, millionenschwere Ring, um den sich alles zu drehen schien. Der ihr wie durch ein Wunder in die Hände gefallen und ebenso schnell wieder verschwunden war. Katherina brachte ihn mit wirren Thesen über einen Engel in Verbindung. Eve schwirrte der Kopf, wenn sie versuchte, den Dialog zu rekapitulieren. Sie hatte kaum jedes dritte Wort verstanden, und das, was sie sich daraus zusammenreimte, machte keinen Sinn.
Sie gab dem Fahrer ein großzügiges Trinkgeld und stieg aus. Wieder verspürte sie dieses warnende Kribbeln im Nacken. Sie suchte die Umgebung und die Straße ab, doch da war nichts. Nur das Taxi, das im dichten Abendverkehr verschwand.
Im Restaurant entdeckte sie Mark in einer Nische am Fenster. Er lächelte, als ihre Blicke sich trafen, und stand sogar auf, um sie zu umarmen. Die Geste fühlte sich tröstlich an, und Eve verweigerte sich nicht. Plötzlich war sie froh, ihn angerufen zu haben. Arschloch oder nicht, solange ihre Beziehung angedauert hatte, war er ihr nie in den Rücken gefallen.
„Hey“, er strich ihr eine Locke aus der Stirn, „ich freue mich, dich zu sehen.“
„Tut mir leid, dass ich heute Morgen so kurz angebunden war.“ Sie setzte sich und blätterte die Karte auf. „Der Tag fing einfach nicht gut für mich an.“
Marks Lächeln verblasste. „Weil jemand in deine Wohnung eingebrochen ist und dir die Pistole geklaut hat? Ich habe mich immer gefragt, warum du das Ding überhaupt in deinem Nachttisch liegen hast.“
Sie verbiss sich eine Antwort auf seine Stichelei. „Jemand hat es auf mich abgesehen“, sagte sie stattdessen.
„Was hast du angestellt?“
Eve zögerte. Die Situation war grotesk. Sollte sie ihm im Ernst erzählen, dass Dämonen sie angegriffen hatten, die ihre Sucht nach menschlichem Blut nicht in Griff hatten?
„Es ist kompliziert.“
„Okay, fangen wir anders an. Was willst du? Was glaubst du, kann ich für dich tun?“
„Mir helfen, am Leben zu bleiben.“ Sie schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Ich habe für eine Story recherchiert, und jetzt ist ein Verrückter hinter mir her, der versucht, mich umzubringen.“
„Ist das dein Ernst?“
„Es war mir nie ernster.“ Sie musterte ihr Wasserglas. „Ich habe da etwas ausgelassen bei unserem Telefonat. Gestern Nacht wollte mich jemand töten. Frag nicht nach Details, ich habe es überlebt. Und heute nachmittag war er in meinem Apartment.“
Mark starrte sie an.
„Zum Glück war ich nicht da“, fügte sie hinzu. „Aber er wird wiederkommen.“
„Eve ...“
„Nein“, unterbrach sie. „Du musst mir jetzt nicht vorhalten, dass ich verdammt noch mal vorsichtiger sein soll, wenn ich unbedingt Porzellan zerschlagen muss. Ich habe mich selbst schon ausreichend gegeißelt.“
Er lehnte sich zurück. „Wenn du willst, dass wir diesen Killer schnappen, dann musst du mir ein bisschen mehr erzählen.“
Kain musterte den Mann, der ihr gegenüber saß. Es war nicht der Schattenläufer von letzter Nacht, dessen Aura sich so verstörend vertraut anfühlte. Ihr Begleiter war nur ein gewöhnlicher Mensch.
Kain zog seine Kapuze tiefer in die Stirn und lehnte sich gegen die Wand. Passanten würden ihn für einen der zahlreichen Obdachlosen halten, die sich in den Straßen von Downtown herumdrückten.
In seinem Körper zirkulierte frisches Blut. Eine Hure, die niemand vermissen würde. Nachdem der erste Rausch verflogen war, befeuerte die Droge seine Sinne, ohne ihn in diesem Zustand traumseliger Euphorie zu binden. Er spürte den Flügelschlag eines Nachtfalters an seiner Wange. Die Stadt war voll von ihnen.
Nachdenklich betrachtete er Eves Silhouette am Fenster. Heute Nacht musste er es zu Ende bringen. Der Kunde war ungeduldig. Dabei wusste Kain tief in seiner Seele bereits, dass er es nicht tun würde. Er hatte es in dem Moment gewusst, als Eve auf die Straße getreten und in das Taxi gestiegen war. Im Grunde hatte er es bereits gewusst, als er in ihrem Apartment stand und ihren Duft einsog, der an jedem Gegenstand haftete, an jedem Möbelstück.Etwas war geschehen, als er von ihr getrunken hatte. Etwas, das ihm nie zuvor widerfahren war. Weil er nie zuvor ein Opfer am Leben gelassen hatte. Seither brannte eine unerklärliche Begierde in ihm, nicht nach ihrem Blut, sondern nach ihrer Seele. Es fühlte sich an wie eine heftige Verliebtheit. Er
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