Engelsfeuer
gießen, würden sie in dem hellen Turmzimmer gedeihen.
Ihr Telefon klingelte. Es war Beck. »Hey, Alter. Wie geht’s?«
»Gut, Prinzessin. Wie macht sich die neue Wohnung?«
»Klasse. Es gefällt mir hier. Es fühlt sich richtig an.«
»Freut mich, das zu hören. Jackson und ich sind unterwegs zu einem Gebäude im Süden Atlantas. Die Nachbarn haben etwas von einem Dreier da unten erzählt, und wir sehen uns das mal an.«
»Passt bloß auf, ihr beiden. Ich will nicht, dass du zu zernagt bist, um mit mir zum Ball zu gehen.«
»Dafür werde ich schon sorgen«, sagte er, dann lachte er. »Schlaf gut, wir sehen uns dann morgen Abend.«
Lächelnd setzte Riley sich auf das Sofa und legte das Telefon neben sich. Mit hinter dem Kopf verschränkten Händen lehnte sie sich zurück und warf einen sehnsüchtigen Blick auf das Abendkleid, das im Türrahmen hing. Sie würde mit Denver Beck ausgehen. Simis Friseurin würde ihr die Haare und Fingernägel machen. Es würde tatsächlich geschehen.
»Bitte, lass alles superklasse werden«, betete sie. »Keine Dämonen, kein bescheuerter Alan. Lass es einfach wunderbar werden, okay?«
Nur ein einziges Mal sollte alles richtig klappen, damit sie und Den den schönsten gemeinsamen Abend verbringen konnten. Die Sorte Abend, die andere Frauen erlebten, ohne dafür beten zu müssen.
Als sie sich ihren Tagträumen hingab und sich ausmalte, wie es werden würde, fiel ihr eine Bewegung ins Auge. Als sie genauer hinschaute, entdeckte sie die winzige Gestalt eines Klepto-Dämons, der auf ihrem neuen Bücherregal entlangkroch, den Beutesack über der Schulter. Es war der Dämon aus ihrer alten Wohnung, und da Stewart sein Haus nicht mit Weihwasser schützte, war er offensichtlich mit ihr umgezogen.
»Hey!«, sagte sie. »Bist du verrückt? Das hier ist das Haus eines Großmeisters!«
Die kleine Elster blieb stehen, dann zuckte sie die Schultern, als sei das nicht der Rede wert.
»Versuch, nichts zu stehlen, was er vermissen könnte, okay? Ich will nicht, dass er mich rauswirft.«
Eine Reihe schriller Geräusche ertönte, vermutlich die Höllenbrut-Version von »Mir doch egal.« Mit einer plötzlichen, verschwommenen Bewegung war ihr ständiger Mitbewohner verschwunden.
Jetzt fühlte sie sich hier richtig zu Hause.
Der wirbelnde Chicagoer Schneesturm machte Riley nahezu blind, aber auf den Engel neben ihr schien er keinerlei Effekt zu haben.
»Ich kann überhaupt nichts sehen«, beschwerte sie sich. Oder besonders viel spüren, da die Kälte sich direkt bis in ihre Knochen zu beißen schien.
»Benutze deine Sinne«, gab Ori zurück.
»Meine Sinne können auch nichts sehen. Was für Dämonen sind überhaupt bei so einem Wetter unterwegs?«
»Diejenigen, die wir töten müssen«, antwortete Ori. »Einer, der den Höllenfürsten verraten hat.«
Eine Sekunde später gellte ein schrilles Kreischen durch den Sturm, ein hoher Schrei kündete vom Entsetzen eines Sterblichen.
»Wo ist er?«, wollte sie wissen.
Der Engel antwortete nicht, sondern ließ sie wie eine Idiotin durch die wirbelnden Flocken stolpern. Ein weiterer Schrei zerriss die Luft und schien tief in ihren Schädel einzudringen. Panik stieg in ihr auf. Riley schloss die Augen und vertraute jenen Sinnen, von denen Ori ständig redete.
Prompt stieg ihr der kräftige Dämonengestank in die Nase und ließ sie beinahe würgen. Sie machte die Augen auf und eilte voran. Dann sah sie ihn, eine einen Meter zwanzig große, schwerfällige, mit Eis und Schnee bedeckte Gestalt. Chicagos Version eines Yetis.
Der Gastro-Dämon hatte zwei Teenager in die Ecke gedrängt. Der entsetzte Junge hatte sich vor das Mädchen gestellt und versuchte, den Dämon mit seiner Laptoptasche abzuwehren. Das erinnerte sie an Peter. Das Mädchen weinte ins Telefon und flehte jemanden an, ihnen zu helfen.
Riley ging näher und ließ das Schwert aus ihrer Hand emporwachsen. Sie musste zugeben, dass es echt total cool aussah.
»Hey, Dämon!«, rief sie laut. »Ja, du da!«
Der Höllendiener wirbelte herum, die beiden glühenden Augen durchbohrten den Schneeschleier. Er heulte ihren Namen.
Denk daran, was ich dich gelehrt habe , flüsterte Ori in ihrem Kopf.
Der Dreier griff sofort an und bewegte sich in einem Tempo, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Sie schlug zu und verwundete ihn am Arm, als er vorbeisauste. Wütend brüllte er auf, schlug mit seinen rasiermesserscharfen Klauen auf sie ein und fügte ihr eine klaffende Wunde an der Wange bei.
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