Engelsfeuer
Die dunklen Augen blitzen animalisch auf und ließen Riley erschaudern.
»Schlaf von jetzt an in Kleidern, es sei denn, du wünschst, nackt zu kämpfen«, sagte Ori barsch. »Ich werde dich binnen eines Wimpernschlags zu mir rufen.«
Na super . »Auch tagsüber?«
»Vielleicht.«
»Jemand wird es bemerken, wenn ich einfach verschwinde.«
»Ich werde dafür sorgen, dass sie es nicht merken. Jetzt strecke die Hand aus, diejenige mit dem Mal meines Gebieters.«
Riley tat, was er verlangte. Was hatte er vor? Ihre Frage wurde in dem Moment beantwortet, als strahlend weiße Flammen aus ihrer rechten Handfläche emporschossen. Sie schrie laut auf und versuchte, sie durch heftiges Schütteln zu löschen, aber vergeblich. Sie empfand keinen Schmerz, aber der Anblick ihrer ganz von Feuer umhüllten Hand machte ihr Angst. Allmählich wanderten die Flammen zu ihren Fingern und formten ein Schwert, eine kleinere Version von Oris Waffe.
»Wie machst du das?«, fragte sie und starrte voll Staunen darauf. Es war so hell, dass es ihr in den Augen weh tat.
»Ich lasse dir einen kleinen Teil meiner Göttlichkeit zukommen.«
Probeweise ließ Riley die funkelnde Klinge ein paar Mal durch die Luft sausen. Irgendwie ziemlich cool.
Trotzdem war das keine gute Idee. »Hör mal, ich bin keine Kriegerin. Ich kann versuchen, dir den Rücken freizuhalten, aber ich bin nicht besonders gut darin, Dämonen umzubringen.«
»Im Sumpf hast du es ganz gut gemacht.«
Das Schwert beschrieb träge ein paar Bögen. »Du weißt, was dort passiert ist?«
»Natürlich. Ich bin dein Herr. Ich wusste genau, was dort geschah.«
»Und warum hast du mir dann nicht geholfen, Beck zu finden?«, wollte Riley wissen. »Warum hast du alles mir überlassen?«
»Es war deine Prüfung, nicht meine«, erwiderte er. »Jetzt werde ich dir ein paar Grundtechniken des Schwertkampfes beibringen, und dann machen wir uns auf die Jagd.«
Jagd? Das artete langsam aus. »Was kann ich denn schon tun, außer als Köder herzuhalten?«
Der Engel nickte zustimmend. »Wie ich sehe, begreifst du perfekt, was deine Rolle ist.«
Als es vorbei und Riley wieder in ihrem Zimmer war, zeigte die Uhr ihr, dass nicht mehr als eine Stunde vergangen war. Ihr kam es vor wie ein halber Tag. Ihre Kleider waren sauber, obwohl sie noch vor wenigen Minuten mit Dämonenblut durchtränkt waren. Ihre Muskeln schmerzten, doch nicht so schlimm, als käme sie gerade mitten aus dem Kampfgetümmel. Irgendwie hatte Ori ihr von seiner Engelsmagie abgegeben, damit sie sich wieder erholte.
Wie sie ihn gewarnt hatte, war ihr erster Einsatz ziemlich danebengegangen, und mit dem Schwert war sie gar nicht zurechtgekommen. Ihre Beute, wie er es nannte, hatte sich als ein Quartett aus abtrünnigen Dreiern entpuppt, die sich Luzifer widersetzt hatten. Ori hatte ihr Kommandos zugebrüllt, hatte sie getadelt, wenn sie die Schläge nicht parierte oder sich nicht schnell genug bewegte. Es war ein Albtraum gewesen.
Am Ende des Gemetzels blieben ein Haufen Leichen übrig, die er mit seinem Engelsfeuer verbrannte. Die ganze Zeit über hatte er keinerlei Emotionen gezeigt, als hätte er alle Gefühle abgeschnitten. Das fürsorgliche göttliche Wesen, das sie so zärtlich geliebt hatte, war verschwunden, ersetzt durch einen grimmigen Henker.
Am nächsten Morgen fand Riley sich mit Simon, ihrem Meister und den beiden neuen Lehrlingen in der Dämonenhochburg wieder. Sie war sicher gewesen, dass Harper auffallen würde, dass sie irgendwie verändert war, und sie zur Rede stellen würde, weil sie mit einem von Luzifers Leuten herumhing, aber er hatte kein Wort gesagt.
Im Gegensatz zu den Dämonen, die Ori erlegt hatte, war der einzelne Dreier, den sie zu fangen versuchten, ein jüngeres Exemplar, schwerfällig und mit erst einer Zahnreihe. Er war vielleicht einen Meter zwanzig groß, hatte schwarzes Fell und glühende Augen. Momentan nagte er an einer Pfote voll Abfall, einer seiner üblichen Nahrungsquellen in der Dämonenhochburg.
Dieses Mal gab es kein schickes Schwert oder engelsmäßige Rückendeckung, so dass einer von ihnen das »Lockmittel« spielen und der andere das Weihwasser schwingen würde. Wenn der Fänger mit der Kugel einen Fehler machte, stand nichts mehr zwischen dem Lockvogel und den Zähnen und Klauen des Dämons.
Besorgt blickte Riley zu Simon hinüber. Traute sie ihm zu, die Kugel präzise genug zu werfen? Oder würde er seine Meinung in letzter Sekunde ändern und zulassen, dass das Ding
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