Engelsfeuer
geradewegs auf sie zu.
Die schwarze Lederjacke des Engels, das T-Shirt und die Jeans waren dieselben wie zuvor, und sein ebenholzschwarzes Haar war in einem Pferdeschwanz zurückgebunden. Er setzte sich ihr gegenüber und tat, als hätte sie ihn nach der Schlacht nicht in den Armen gehalten und gesehen, wie er starb.
»Riley Anora Blackthorne«, sagte er forsch. »Muss ich dich daran erinnern, was du mir geschworen hast?«
Sie schüttelte den Kopf. Irgendwie hatte sie gewusst, dass es so weit kommen würde.
»Luzifer hat dich am Leben gelassen«, sagte sie. Ein knappes Nicken war die Antwort.
Riley musterte ihn abermals. Sein Blick war wachsam, nicht so fürsorglich wie früher. Was immer mit ihm geschehen war, nachdem Luzifer ihn vom Friedhof hatte verschwinden lassen, hatte den Engel auf grundlegende Weise verändert.
»Und, wie geht es jetzt weiter?«, fragte sie. »Wirst du mich vor allen Leuten direkt in die Hölle schleifen?«
Ori lehnte sich auf der Bank zurück, die dunklen Brauen zusammengezogen und die Arme vor der Brust verschränkt. »Nichts derlei Dramatisches.«
»Was soll ich dann machen? Dir die Stiefel polieren? Dir den ganzen Tag erzählen, wie unglaublich toll du bist?«
Keine Antwort.
»Wie auch immer, ich werde nicht versuchen, irgendeine Seele für dich zu holen.«
»Ich stelle die Regeln auf. Und du befolgst sie«, erwiderte er. Sein Ton war noch eisiger geworden.
»Du machst mir keine Angst, Engel. Ich bin so oder so dem Untergang geweiht. Ich weigere mich, irgendjemandem weh zu tun, weil du es von mir erwartest.«
»Wieder einmal versuchst du, die Regeln zu diktieren, obgleich du kein Druckmittel hast.«
»Das einzige Druckmittel, das mir geblieben ist, ist mein Gewissen«, gab sie zurück. »Und das werde ich nicht opfern.«
Mit hitzigem Blick starrte er sie finster an. »Du wirst womöglich feststellen, dass dieses Versprechen nur schwer zu halten ist.«
Besorgt, dass jemand ihre Unterhaltung belauschen könnte, sah Riley sich rasch um. Niemand schien von ihnen Notiz zu nehmen. »Erzähl mir, was als Nächstes geschieht«, beharrte sie.
»Da ich dein Herr bin, hast du meinen Befehlen zu gehorchen. Meine Aufgabe lautet wie immer, diejenigen aus unseren Reihen zu vernichten, die meinen Gebieter herausfordern«, erklärte Ori. »Du wirst mir bei dieser Aufgabe helfen.«
»Ich? Wie denn?«
»Ich werde dich rufen, wenn die Zeit gekommen ist, gegen die abtrünnigen Dämonen zu kämpfen. Du wirst an meiner Seite kämpfen.«
»Bist du wahnsinnig?«, sagte sie und flüsterte unwillkürlich. »Ich bin nicht irgendeine kosmische Kriegerin.«
»Gleichwohl wirst du mir beistehen.«
»Wenn du meinen Tod willst, dann knips mich doch einfach mit einem Blitzschlag aus, und gut ist.«
»Du wirst mir beistehen«, beharrte der Engel und erhob sich mit einer fließenden Bewegung von der Bank. »Beginnend heute Nacht.«
»Es geht dir doch nur darum, dich zu rächen. Du bist sauer, weil ich dich nicht anbettele, mir meine Seele zurückzugeben wie alle anderen.«
»Nein«, sagte er ausdruckslos. »Es geht ums Überleben, Riley Anora Blackthorne. Zumindest für dich.«
Er machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Café mit großen Schritten. Anders als früher nahm keine der Frauen von ihm Notiz, als wäre er gar nicht hier.
Riley stellte fest, dass sie ihre Tasse fest umklammert hielt, und löste langsam die verkrampften Finger. Mit ihrem Vater hatte Ori so etwas nie gemacht. Nur mit ihr.
Dabei wollte ich doch nur, dass mich jemand liebt .
24.
Kapitel
Mitten in der Nacht, als sie eingekuschelt in ihrem Bett in Stewarts Haus lag, erreichte sie Oris Ruf, ein deutlich vernehmbarer Weckruf, der Riley aus ihren Träumen riss und sie binnen eines Herzschlags aufweckte.
Zieh dich an. Oder kämpfe unbekleidet , befahl er tief im Inneren ihres Kopfes.
Sie hatte kaum ihre Jeans, Hemd und High-Tops angezogen, als das Zimmer um sie herum verblasste und ihre neue Umgebung allmählich an Schärfe gewann: ein ausgedehntes offenes Feld mit grünem Gras, über dem der Mond fett und voll am Himmel stand.
Ich kenne diesen Ort . Das war nichts als eine engelhafte Illusion, genau wie das romantische Picknick, bei dem Ori versucht hatte, sie zu verführen. Doch dieses Mal gab es keine wohlschmeckenden Wassermelonen oder Wein, nur sie und Luzifers Henker. Er war in voller Engelsaufmachung erschienen, die Schwingen waren sichtbar, und das tiefschwarze Haar wurde von einem Lederriemen zurückgehalten.
Weitere Kostenlose Bücher