Engelsfluch
für Rührei mit Schinken und bestellte dazu einen starken Kaffee. Der Akt des Essens an sich gab ihm das Gefühl, ein Mensch zu sein, von dieser Welt. Als er sich vorzustellen versuchte, wie der Traumdämon Rührei mit Schinken aß, musste er laut lachen, und die Gäste an den anderen Tischen warfen ihm irritierte Blicke zu. Enrico war das gleichgültig, das Lachen tat ihm gut.
»Du bist heute Morgen aber guter Dinge, Enrico«, sagte eine vertraute Stimme in seinem Rücken. »Darf man den Grund deiner Heiterkeit erfahren?«
Enrico schaute um und sah sich Alexander Rosin gegenüber der einen unausgeschlafenen Eindruck machte. »Ich habe einfach so gelacht. Wer ohne Grund lacht, soll zwar dämlich sein, aber lieber dämlich als trübsinnig. Oder?«
Alexander sah irritiert aus. »Um ehrlich zu sein, das ist eine Frage, über die ich noch keine grundlegenden Betrachtungen angestellt habe. Hast du etwas dagegen, wenn ich mich zu dir setze?«
»Ganz und gar nicht. Schon gefrühstückt?«
»Ja, aber einen Kaffee würde ich trinken. Viele Grüße von Elena übrigens. Ich habe ausführlich mit ihr telefoniert.«
»Wie geht es ihr?«
»Viel besser. Am liebsten würde sie sofort aus dem Bett springen und wieder an die Arbeit gehen.«
»Was hält sie davon ab?«
»Die Ärzte. Sie trauen dem Wunder nicht so ganz.«
Enrico schenkte Alexander einen Kaffee ein und fragte:
»Gibt es Neuigkeiten über den Mord in Marino? Hat man die Täter gefasst?«
Alexander schüttelte den Kopf. »Das wäre auch zu schön gewesen. Die Kerle sind ausgekocht und wissen wohl auch, wie man sich Straßenkontrollen entzieht.«
»Und Dr. Falk? Haben Donatis Leute etwas
herausgefunden?«
»Ebenfalls Fehlanzeige. Sie ist schnurstracks in ihr Hotel in Trastevere zurückgekehrt und hat es abends nur für eineinhalb Stunden verlassen, um in einem Restaurant in der Nähe Spaghetti Carbonara zu essen. Dann ist sie wieder auf ihr Zimmer gegangen.«
»Du bist erstaunlich gut informiert. Weiht die römische Polizei alle Journalisten so umfassend in ihre Ermittlungsergebnisse ein?«
Alexander lachte. »Wohl kaum, besonders dann nicht, wenn die Ergebnisse so dürftig sind. Aber da ich in diesem Fall auf Wunsch des Vatikans mit Stelvio Donati zusammenarbeite, haben wir keine Geheimnisse voreinander. Apropos Vatikan. Ich bin nicht ohne Grund hier. Eine hoch gestellte Persönlichkeit im Vatikan möchte mit dir zu Mittag essen. Ich soll dich hinbringen, wenn es dir recht ist.«
Jetzt war es an Enrico, irritiert dreinzuschauen. »Ein Mittagessen mit einer hoch gestellten Persönlichkeit? Wie komme ich zu der Ehre, und wer ist diese ›Persönlichkeit‹?«
»Die Wunderheilung in Pescia und deine Anwesenheit gestern in Marino sind zwei gute Gründe für den Vatikan, an dir interessiert zu sein, Enrico. Deinen Gastgeber wirst du kennen lernen, wenn du die Einladung annimmst.«
»Warum die Geheimniskrämerei?«
»Nicht alle römischen Journalisten sind so verschwiegen wie ich. Der Vatikan möchte keine Gerüchte in Umlauf setzen.«
»Gerüchte wabern immer dort, wo man nichts Konkretes weiß!«
»Nur Geduld! Ich empfehle dir, die Einladung anzunehmen.
Dann erfährst du, wer an dir interessiert ist.«
»Meinetwegen. Ich habe nichts Besseres vor. Ich muss nur zusehen, dass ich meinen Flieger am Nachmittag kriege.«
»Du fliegst erst morgen. Ich habe alles arrangiert. Keine Sorge, der ›Messaggero‹ bezahlt auch die zusätzliche Übernachtung.«
»Woher wusstest du, dass ich mit dir in den Vatikan komme?«
»Ich habe auf deine Neugier gesetzt. Und jetzt solltest du dein Rührei aufessen, bevor es kalt wird. Außerdem müssen wir bald aufbrechen.«
»Wieso?«, fragte Enrico. »Bis zum Mittag sind es noch zweieinhalb Stunden.«
»Ich würde mir gern das Angelusgebet auf dem Petersplatz anhören. Es heißt, der Papst macht dabei eine wichtige Ankündigung im Hinblick auf die Kirchenspaltung. Als Reaktion auf das Konzil der Glaubenskirche, wie man sagt.
Jedenfalls hat diese Nachricht schon in ganz Rom die Runde gemacht, und heute Mittag werden auf dem Petersplatz Scharen von Gläubigen und von Journalisten erwartet. Wenn wir einen guten Platz erwischen wollen, sollten wir nicht zu spät aufbrechen.«
»Eben hast du noch gesagt, der Vatikan setze nicht gern Gerüchte in Umlauf.«
»Wenn es in seinem Interesse ist, schon.«
»Was ist das für ein Konzil, das du erwähnt hast?«
»Hast du seit gestern keine Nachrichtensendung gesehen oder
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